Dinner Rede beim Roundtable in Washington am 22.06.2015 auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung
Vielen Dank für die Einladung zu dieser Dinner Discussion
1 Energieimporte und Souveränität
Die Krise in der Ukraine hat der europäischen Union ihr Dilemma in der Energieaußenpolitik in schmerzhafter Weise vor Augen geführt: sie ist in hoher Weise von den Energierohstoffimporten – vor allem Gas – abhängig.
Importabhängigkeit begrenzt Europas Souveränität – und schafft gleichzeitig Stabilität
Europa hat im Konflikt um die Ukraine gleich mehrere Ausprägungen fossiler Abhängigkeiten und ihren Einfluss auf die Außenpolitik eines Landes erlebt.
– aus einem Gaskrieg zwischen Ukraine und Russland wurde ein hybrider Krieg um Einflusssphären und Energieressourcen.
– Die EU– Deutschland vorneweg – hängt am Gastropf der Russen und dem Transit über die Ukraine: 86% des Gasbedarfs von Deutschland wird importiert. 40% allein aus Russland.
– Russland hängt am Geld Europas, aber mehr noch am Petrodollartropf. Der russische Haushalt 2015 ist auf einem Ölpreis von 105 $ (Brent) gebaut. Aktuell ist dieser Haushalt auf Sand gebaut – der Ölpreis kommt seit einem halben kaum über 60 $ hinaus.
Es ist also eine wechselseitige Abhängigkeit – die sich durch den Umstand dass es sich beim Gas um Pipeline-gebundene Energie handelt, noch einmal zu Lasten des Erzeugerlandes verschiebt. Er kann seine Kunden nicht kurzfristig einfach wechseln – wie Putin gerade im Altai lernt.
Aus diesen gegenseitigen Abhängigkeiten entstand der Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Rates (und vormaligen polnischen Ministerpräsidenten) Donald Tusk, dass sich Europa in Zukunft als Gas-Einkaufkonsortium gegenüber Russland positioniert. Diese Idee wurde relativ schnell beerdigt, hätten doch Großkunden wie Deutschland ihre Preisvorteile zugunsten unsicherer Kantonisten wie etwa Griechenland riskiert.
Übrig blieb aber das Bestreben der Europäischen Union, ihren Energiebinnenmarkt neu zu ordnen und sich stärker unabhängig von Russland zu machen. Dieses wurde zwar zu einer der drei wichtigsten Prioritäten der Juncker-Kommission erklärt. Überzeugen kann das Konzept aber bisher nicht. Rat wie Kommission der Europäischen Union setzen nämlich in vielerlei Hinsicht aufs falsche Pferd.
Statt Importe zu mindern, wird im Wesentlichen auf Diversifizierung der Importe gesetzt. Was bei dem Urheber der Idee – dem ehemaligen Ministerpräsidenten eines 90% Kohlelandes – und dem zuständigen Kommissar Canete, einem ehemaligen Ölmanager, nicht wirklich überrascht.
2 Die Energieunion Der Plan der EU besteht aus 5 Punkten:
2.1 Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit Im Kern: Diversifizierung der Gasversorgung (z.B. Algerien, Mittelmeer, SüdKorridor) ergänzt um eine Flüssiggas- (LNG-) Strategie sowie verstärkte „heimische Ressourcennutzung“. Letzteres meint nichts anderes als von Fracking, das aber in vielen Ländern auf große öffentliche Widerstände stößt, nicht einmal ansatzweise die Potentiale der USA hat – und klimapolitisch fatal ist.
2.2 Vollendung eines wettbewerbsfähigen Energiebinnenmarkts Es soll ein besserer Stromverbund erreicht (siehe 10 Prozent-Ziel bis 2020) und eine neues Strommarktdesign entwickelt werden.
2.3 Steigerung der Energieeffizienz Neues, aber nicht verbindliches 27% Einsparziel bis 2030. Energieeffizienz soll eine stärkere Rolle spielen und als eigene Energiequelle betrachtet werden.
2.4 Dekarbonisierung der Wirtschaft Es gibt für 2030 ein Einsparziel von 40% der Treibhausgase gegenüber 1990. Soll das erreicht werden sollen, muss das Emissions Trading Scheme (ETS) reformiert werden. Es braucht einen set Aside von Zertifikaten um Emissionshandel wieder wirksam zu machen. Ob das gelingt, ist bei den Interessenslagen mehr als fraglich.
2.5 Förderung von Forschung und Entwicklung im Energiebereich Forschung meint hier Erneuerbare- und Speichertechnologien, Smard Grids und Effizienzsysteme sowie nachhaltiger Transport. Zum anderen aber gehen vor allem viele Milliarden € fossile oder nukleare Strategien wie Carbon Capture and Storage (CCS) sowie in die Kernfusion (ITER).
3 Fossile Union
Sie sehen, in aller Kürze, die Prioritäten sind weiter fossil. Europa importiert für ca. 400 Milliarden € pro Jahr Energie. Europa will nicht weniger für Energieimporte ausgeben, sondern das Geld nur anderen geben. Anstatt an Russland soll das Geld in Zukunft nach Algerien und Qatar, aber auch – Dank TTIP – in die USA fließen.
So wird auf eine neue LNG-Infrastruktur gesetzt, obwohl die vorhandene nicht ausgelastet ist. Das wird von dem Glauben getrieben, dass LNG zeitnah Kostengleichheit mit pipelinegebundenen Gas erreichen könnte. Aber da sollte man sich ehrlich machen.
– Zum einen ist der Frackingboom in den USA aufgrund des geringen Ölpreises ins Stocken geraten und das Ziel NettoExporteur zu werden hat sich zumindest wieder entfernt.
– Und wenn es doch so weit kommt, ist der asiatisch-pazifische Raum für die USA doch deutlich lukrativer.
– Und die Qataris, mit denen ich vor kurzem gesprochen habe, haben darauf auch eine klare Antwort: Wenn Europa sehr langfristige lukrative Verträge bietet, denken wir darüber nach. Nötig haben sie den neuen Kunden nicht – sie haben Gas für über 75 Jahre.
Kurz gesagt: Europa will sich in neue Abhängigkeiten begeben. Das ist ein fataler Weg.
4 Klimaziele verfehlt
Insbesondere, weil Europa und weil Deutschland so seine Klimaziele nicht erreichen kann. Das ist ein fatales Zeichen für die Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris. Zur Erinnerung: die Pro-Kopf-Emissionen der Deutschen gehören zu den höchsten innerhalb der EU und sind ca. 27 Prozent höher als der EU- Durchschnitt. Deutschland senkte dennoch seine Emissionen zwischen 2005 und 2013 nur um 3,8 %. Ziel waren 4,5 %.
Deutschlands Emissionen im Energiesektor sind höher als im EU-Durchschnitt, vor allem durch die zu starke Rolle von Kohle im Energiemix. Die Überproduktion von Kohlestrom, der im Export verramscht wird, verdirbt den Deutschen die Klimabilanz.
In der Woche, in der Frau Merkel in Elmau die Dekarbonsierung der Weltwirtschaft versprach, kassierte sie den Klimabeitrag ihres Vizes und Energieministers Gabriel, der wenigstens die ältesten Kohlekraftwerke unrentabel machen wollte. So ist der Versuch die Überkapazitäten auf dem deutschen Strommarkt zu mindern, vorerst gestoppt worden.
4.1 Deindustrialisierung Stattdessen werden nun verstärkt die Erneuerbaren,. Die in den letzten Jahren in Deutschland boomten wie sonst fast nirgends in der Welt, ausgebremst. Zwar wuchsen die Erneuerbaren, die ursprünglich 2020 mindestens 20 % des Strom liefern sollten schneller als gedacht. Heute liefern vor allem Wind und Sonne fast ein Drittel des Stroms. Diese Entwicklung hat in Deutschland hat diese Technologien global wettbewerbsfähig gemacht.
Zwar boomt die Windindustrie noch, doch inzwischen haben die Chinesen Deutschland bei der jährlich installierten Leistung abgehängt. Nun will die Bundesregierung durch ein Weggehen von der Einspeisereglung zu Ausschreibungen den Ausbau bremsen. Sie wird den Windstrom damit zudem verteuern. Und gleichzeitig hat die aktuelle Regierung es geschafft eine auf dem Weltmarkt führende Branche – die Solarbranche – aus Deutschland zu vertreiben.
Das Verbot von Freiflächen für Fotovoltaik, die Besteuerung von eigen verbrauchtem Solarstrom (Sonnensteuer) hat die Branche in die Krise getrieben. 40.000 Arbeitsplätze sind in den letzten 2-3 Jahren in dieser Branche vernichtet worden. Und das, obwohl seit 2002 über 370.000 Arbeitsplätze im Bereich Erneuerbare Energien neu geschaffen worden!
Mein alter Parteifreund Frank Asbeck baut mit Solarworld und der Qatar Foundation eine Solarfabrik in Katar und wird dort die komplette Produktionskette Gas-Strom-Sonne realisieren. Jahresausstoß: 6,5 Gigawatt. Auch das Gasland Qatar hat die Zeichen der Zeit erkannt. Im letzten Jahr gingen global mit 143 GW erstmalig mehr erneuerbare als fossile Erzeugungskapazitäten ans Netz.
Während in Deutschland die Fotovoltaik deindustrialisiert wird, steigen anderen groß ein. Etwa First Solar. Aus Brandburg vertrieben errichten sie gemeinsam mit Apple in Monterey County eine Anlage für 130 MW und einer Investitionssumme von 850 Millionen US-Dollar. Erneuerbare Energien sind heimische Energien. Wer sich von Energieimporten unabhängiger machen will, darf nicht diese nicht bremsen. Diversifizierung allein reicht nicht.
Eine wirkliche Energieunion muss Erneuerbare, Energieeffizienz und Energieeinsparung in den Mittelpunkt stellen. Davon ist Europa weit entfernt. Europa macht sich auf den Holzweg – Wie sieht es in Amerika aus? Nutzen Sie diese Chance?
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