Rede zum 10 jährigen Bestehen des Bioenergiedorfes Jühnde

Von Jühnde lernen, heißt siegen lernen
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Jühnderinnen und Jühnder, lieber Herr Bode, lieber Herr Brennenken, lieber Eckhardt Fangmeier,
Vor zehn Jahren habe ich hier schon mal gestan-den – und dazwischen auch öfter,
Aber ich freue mich sehr, dass wir zusammen 10 Jahre Bioenergiedorf Jühnde feiern können.
Jürgen Trittin Von Jühnde lernen, heißt siegen lernen

Sie zeigen hier, wie und dass die Energiewende gelingen kann.
„Die Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten“ hat Sigmar Gabriel vor kurzem verkündet.
Er hat wohl Recht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er nach Kräften dennoch versucht, sie aufzuhalten.
Die Energiewende, der Umstieg auf Erneuerbare Energien, die Produktion von Strom, Wärme, Mobilität aus sauberen Quellen wird momentan von der Großen Koalition nach Kräften versucht auszubremsen.

 Mit zwei Ausschreibungszwang und Son-nensteuer.
 Mit Stillstand bei der Gebäudesanierung.
 Mit Fortsetzen der Dieselsubventionen.

Gut, dass wir hier früher dran waren. Bioenergiedorf Jühnde – das ist gelebte Zukunft.
Wir GRÜNEN haben ja früher oft gesagt: Global denken – vor Ort handeln.

Hier in Jühnde zeigt sich: Lokales handeln hat globale Folgen.

Deutschland war schon einmal viel weiter.
Deutschland war unter Kohl und Töpfer ebenso wie mit Rot-Grün ein Vorreiter beim Klimaschutz – ein aktiver Treiber des Klimaprozesses.

Letztes Jahr bei der Klimakonferenz in Paris war Deutschland Getriebener.
Getrieben von Nichtregierungsorganisationen – das ist normal. Getrieben aber auch von einem Abkommen zwischen den USA und China für den Klimaschutz, die beide massiv auf den Ausbau Erneuerbarer Energien setzen. Das ist peinlich.

Dabei hatten wir doch die besten Voraussetzungen:
Die Energiewende ist Ausstieg und Einstieg. Ausstieg aus der Atomenergie und Einstieg in Erneuerbare, Effizienz und Energieeinsparung.
Statt –so mein EEG von 2000 – im Jahr 2020 20 % Anteil Erneuerbaren Strom zu haben, produzie-ren wir 2016 als ein Drittel des Stroms erneuerbar. Hat damals niemand für möglich gehalten. Wir wurden verlacht, da der Anteil technisch nie über 8% liegen könne.

 In Deutschland wurden in den letzten Jahren jährlich über 20 Milliarden € in neue Stromerzeugungsanlagen investiert. Das gibt es in keinem anderen Land Europas.
 In diesen Anlagen werden jährlich gut 15 Mrd. € umgesetzt, davon profitieren Landwirte, Bürgergenossenschaften und Fonds.
 Entstanden ist eine exportstarke Industrie, in der zeitweilig bis zu 390.000 Menschen arbeiteten, in Europa sind es 600.000.

Dieses hat globale Auswirkungen. Mit diesen Erneuerbaren Energien wurden 2014 nicht nur gut 151 Mio. t. Treibhausgase eingespart.
Vor allem wurden die Erneuerbaren Energien preiswert.
Durch die stürmische Entwicklung und die damit verbundene technologische Lernkurve sank der Preis für Strom aus Windkraft um 80 %, für Fo-tovoltaikstrom sogar um 90 %.
Die Deutsche Energiewende hat die Erneuerbaren global wettbewerbsfähig gemacht.
Mit 147 Gigawatt wurden auch letztes Jahr erneut mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert.

Und der Trend hält an. In China, in Indien, in den USA überall boomen Erneuerbare.
Leider droht dies an Deutschland künftig vorbei zu gehen. Hier wird versucht, die Energiewende auszbremsen.
40 000 Arbeitsplätze hat das Verbot von Foto-voltaik in der Freifläche und die Einführung der Sonnensteuer gekostet. Durchgesetzt von einer Regierung, die sich Sorgen um 20 000 Arbeistplätze in der Braunkohle macht.
Aber es geht ihr nicht um die Kohle. Es geht um Schutz für 4 Konzerne: RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall.

Das ist falsche Industriepolitik.
Denn wenn es den großen Vier heute schlecht geht, dann haben sie es selbst so gewollt.

 Sie haben unser Angebot, mit Erneuerbaren Geld zu verdienen, zehn Jahre ausgeschlagen.
 Sie haben mit der Laufzeitverlängerung gegen die Energiewende gewettet.

Diese vier Energieriesen hatten im Jahr 2002 noch einen Marktanteil von 87%.
Heute beträgt der Marktanteil bei den Großkunden nur noch 34 Prozent, bei den KMUs und Haushalten knapp 40 Prozent. 2007 besaßen die großen vier noch mehrheitlich über 85 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten – im Jahr
2013 war ihr Anteil schon auf 68 Prozent geschrumpft.

Auf dem deutschen Energiemarkt gab es lange keinen Markt. Er entstand erst durch das EEG – das Erneuerbare-Energien Gesetz. Es enstand durch Sie hier in Jühnde.
Das Drittel erneuerbarer Strom ist ziemlich konzernfrei, es gehört Bauern, Bürgergenossen-schaften, Stadtwerken und den Einlegern von Fonds.
Das EEG wurde zum Einfallstor der Bürger in die Stromerzeugung. Es sorgte für mehr Markt, mehr Wettbewerb und weniger Oligopol.

Doch Deutschland kann auch in einem weiteren Punkt vom Bioenergiedorf Jühnde lernen.
Energiewende ist keine Stromwende. Energiewende geht nur mit Wärmewende und und Elektromobilität.
Das stand am Anfang des Bioenergiedorfs. Die Genossenschaft wollte, dass Jühnde seinen Wärme- und Strombedarf zu 100 % erneubar deckt. Alte Ölheizungen wurden ersetzt durch Nahwärme.
In Kombination mit effizienter Kraft-Wärmekoppelung macht die Verstromung von Biogas Sinn.
So ist Jühnde weiter als der Rest der Republik. In dem blockiert noch immer Crazy Horst aus Bayern die Wärmewende. Ein Programm zur energetischen Gebäudesanierung kommt seit 10 Jahren nicht voran – wegen des Vetos aus Bayern.

Energetische Gebäudesanierung ist mehr als Styropor an die Fassade nageln. Es ist auch der Einsatz erneuerbarer Energie in der Wärmebe-reitstellung. Wie hier im Bioenergiedorf Jühnde
Energetische Gebäudesanierung dient nicht nur dem Klimaschutz. Sie macht unabhängig.

Würden wir jedes Jahr 3 % unserer Gebäude sanieren, könnten wir 2030 so viel Gas sparen, wie wir heute aus Russland importieren.
Und wir würden für Zehntausende Handwerker Arbeit schaffen. Warum tun wir das nicht endlich?
Das Bioenergiedorf Jühnde ist schon länger Teil des Schaufensters Elektromobilität. Die Elektromobilität hat VOLKSWAGEN erst jetzt entdeckt.
Mit zehn Jahren Verspätung wird eine Batteriefabrik aufgebaut. Nach Dieselgate, nach dem Verlust von 20 Milliarden € Kapital und noch einmal 15 Milliarden € Strafen und Entschädigungen steuert der Konzern um. Ich hoffe, nicht zu spät.

Aber auch bei der Elektromobilität stimmen die Rahmenbedingungen nicht. Die Bundesregierung muss diesen Prozess durch richtige Regulierung unterstützen.
Hierzu gehört endlich die Subventionierung von Dieselautos durch Mineral- und KfZ-Steuer und Dienstwagenprivileg zu beenden.
Sonst haben die neuen Autos von VW keine Chance auf dem Markt.
Solange sich die die Steuersubventionen für einen schweren Diesel SUV auf 15 000 € aufsum-mieren, helfen auch keine 2000 oder 4000 € für Elektrofahrzeuge.
Jürgen Trittin Von Jühnde lernen, heißt siegen lernen

Doch nicht nur Energiewirtschaft, Autoindustrie und Bundesregierung sollten besser auf Jühnde schauen. Auch große Kapitalanleger.
Investment in Erneuerbare, Effizienz und Energieeinsparung kommt nicht von selbst. Sie brauchen einen Rahmen.
Deshalb ist das Klimaabkommen von Paris so wichtig. Es setzt diesen Rahmen. Und will ihn kontrollieren.
Wir können uns nicht darauf verlassen, die die Vorräte an Öl und Gas zu Ende gehen und dann alle gezwungen sind umzusteuern.

Denn das, was wir heute noch an fossilen Vorräten kennen, ist immens.
Rechnet man alle bekannten Vorräte an Gas, Öl und Kohle in CO2 um, sind das gut 3 000 Giga-tonnen. Die durch Verbrennen in die Atmosphäre zu schicken, können wir uns nicht leisten. Dann steigt die Temperatur um 4 bis 5 °C.
Rechnet man das Zwei-Grad-Ziel von Paris in die Menge an CO2 um, die wir global überhaupt noch ausstoßen können, dann kommt man auf ein Budget von rund 565 Gigatonnen.
So viel dürfen wir überhaupt noch verbrennen.

Das heißt, wir dürfen heute kaum noch ein Fünftel der heute förderbaren Reserven an Öl, Gas und Kohle verfeuern.
Wir brauchen dafür andere politische Rahmen-bedingungen. Auch um gigantische Fehlinvesti-tionen zu verhindern.
Denn in den 3.000 Gigatonnen steckt sehr, sehr viel Geld. 7 Billionen $ sind der Wert für fossile Rohstoffe (im Energiebereich), die in den Bü-chern der 100 größten gelisteten Unternehmen weltweit stehen.
Wenn wir davon aber nur ein Fünftel verbrennen dürfen, dann sind diese Billionen Dollar to-tes Kapital.
Hier bläht sich eine große Blase – eine Carbon Bubble – auf, die zu platzen droht. Milliardenrisiken für Banken – investiert in die Zerstörung des Klimas. Platzt diese Blase dann, geht die HBSC –größten Bank Europas – von einem Verlust von bis zu 60% ihres Unternehmenswertes aus.

Hier hilft nur eines – und zwar wirtschaftlich wie im Sinne des Klimaschutzes – raus aus den Fossilen Energien!
Das ist wirtschaftlich einfach klug. Das hat zum Beispiel gerade die Rockefeller-Stiftung verstanden.
Die Erben des großen Ölmagnaten wollen kein Geld mehr in fossile Energien investieren.
Dieser Trend wird immer stärker – wir sprechen von Divestment. Die CITIGROUP – immerhin Ame-rikas drittgrößte Bank – geht davon aus, dass bis 2025 pro Jahr weltweit 1 Billion Dollar in Erneuerbare Energien investiert werden. Und zwar aus Geld, das aus Anlagen in Öl, Gas und Kohle abgezogen wird.

Das Bioenergiedorf Jühnde hat es vorgemacht.

Liebe Jühnderinnen und Jühnder,
Sie haben sich schon vor 10 Jahren auf den Weg gemacht. Und so langsam, aber mit inzwischen riesigen Schritten kommt der Rest der Welt nach.
Was lehrt uns?
Von Jühnde lernen, heißt siegen lernen.

Bis zum 20jährigen Jubiläum – Alles Gute!

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