Reisebericht Russland 2017: St. Petersburg und Moskau

Vom 19. bis zum 22.02.2017 besuchte ich St. Petersburg und Moskau. Im Mittelpunkt standen Fragen der Deutsch-Russischen Beziehungen, der Ener-gieaußenpolitik und der inneren Entwicklung Russlands. Dabei führte ich Gespräche mit Vertretern der Duma, des Gebiets Leningrad, der deutschen Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft. Begleitet wurde ich von Robert Heuer.

Zusammenfassung

  • Die russische Führung sieht sich selbst ostentativ fest im Sattel sitzend. Die Wahlen zur Duma haben die Vorherrschaft der Putin-Partei Einiges Russ-land bestätigt – trotz niedriger Wahlbeteiligung und einem starken Gefälle zwischen den Regionen und den Metropolen. Die nicht-systemische Opposition ist marginalisiert und vor allem in den Metropolen konzentriert.
  • Die wirtschaftliche Lage ist von Stagnation und Investitionsschwäche geprägt. Gleichzeitig konnte die Inflation begrenzt werden. Der Rubelkurs wurde stabilisiert. Beides bremst die Realverluste der Bevölkerung.
  • Die ökonomische Entspannung ist Folge der leicht stabilisierten Öl- und Gaspreise – nicht einer anderen Wirtschaftspolitik. Nach wie vor sind die russische Ökonomie und der Staatshaushalt von den Einnahmen aus dem Export von Öl, Gas, Kohle und anderen Rohstoffen abhängig. Eine Diversifizierung findet kaum statt. Keynesianische Investitionsprogramme kön-nen die Investitionseinbrüche nicht kompensieren.
  • Für Russland hat NordStream2 eine strategische Bedeutung. Die Pipeline soll den Zugang zu einem wachsenden Markt in Europa gegenüber Wettbewerbern etwa aus Qatar oder den USA sichern, die mit Flüssiggas auf diesen Markt drängen könnten. Die bad governance der Ukraine als Tran-
    sitland wird dafür als ein Risiko sowohl für Versorgungssicherheit Eu-ropas wie der Erfüllung vertraglicher Pflichten von Gazprom angesehen.
  • NordStream2 ist so für Russland eher eine Frage des Wann nicht des Ob. Naturschutzfachliche Einwände dagegen berühren eher die Trassenführung, nicht aber seine Realisierung.
  • Das zuletzt von vielen als hybride Herrschaft bezeichnete politische System zeichnet sich durch eine Mischung scheinlegaler Maßnahmen wie offenkundiger Willkür aus. Dieses gilt im Guten wie im Schlechten. Es gibt – ins-besondere für Menschenrechtsorganisationen aber auch für Unternehmen – keine Rechtssicherheit. Viele Nichtregierungsorganisationen leben in Unsicherheit, ob und in welchem Umfang sie zum Ziel von Repressionen werden könnten. Auf der anderen Seite bestehen Spielräume fort, die eine lebendige russische Zivilgesellschaft durchaus zu nutzen weiß. Wo immer möglich, sollte der grenzüberschreitende Kontakt mit ihr auf- oder ausgebaut werden.
  • Die öffentlich zur Schau gestellte Freude über die Wahl von Donald Trump ist einer realistischeren Bewertung der Interessen gewichen. Russland weiß zwar, realisiert aber ungenügend, dass sowohl in Syrien wie in der Ukraine es eine Lösung nur mit den Europäern geben wird. Weshalb Euro-pa in beiden Konflikten aktiver werden muss.
  • Russlands Verhältnis zur Ukraine ist entideologisiert. Weder eine Annexion noch eine Unabhängigkeit des östlichen Donbas wird zurzeit angestrebt. Gerade vor den neuen Herausforderungen von jenseits des Atlantiks ist es im europäischen wie im russischen Interesse mit der Umsetzung von Minsk II schneller voran zu kommen. Anders als bei meinem Besuch 2015 und beim Besuch im letzten Jahr mit der deutsch-russischen Parlamentariergruppe, waren die Sanktionen kaum noch Anlass für Vorwürfe – zumal ihre wirtschaftlichen Auswirkungen sehr begrenzt sind.

 

Deutsch-Russische Beziehungen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Die wirtschaftliche Talfahrt Russlands vor dem Hintergrund des Ölpreisverfalls ist vorerst beendet. Ging das russische Bruttoinlandsprodukt 2015 noch um 3,7 Prozent zurück (2016: -0,5 Prozent), wird aktuell für 2017 ein schwaches Wachstum von etwa ein Prozent prognostiziert. Für ein Land wie Russland mit großem wirtschaftlichen Aufholbedarf ist dies zwar zu wenig, aus Sicht von kremlnahen Kräften gelten die härtesten Zeiten aber als überwunden. Wichtiger für die Stimmung im Land scheint ohnehin, dass es gelungen ist, die Inflation einzudämmen und den zuletzt starken Kursschwankungen ausgesetzten Rubel zu stabilisieren.
Vertreter wie der Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Duma, Andrej Makarow, setzen nun auf staatliche Investitionsprogramme zum Bau von Straßen und Schwimmbädern, um die Wirtschaft anzukurbeln. Fragen nach der Nachhaltigkeit solcher keynesianischer Investitionsprogramme wurden entschieden zurückgewiesen.
Die Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern in Russland ansässiger deut-scher Unternehmen bestätigten, dass in erster Linie mangelnde Rechtssicherheit, ausbleibende Wirtschaftsreformen und nachlassende Kaufkraft für die Verluste im Russlandgeschäft verantwortlich seien. Demgegenüber wurde der Anteil der gegenseitig verhängten Sanktionen am Handelsrückgang auf 10 bis 15, maximal 20 Prozent geschätzt. Im Falle einer Aufhebung der Sanktionen werde höchstens mit einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,6 bis 0,8 Prozent gerechnet.
Wenig überraschend wurden die Sanktionen von diesen Unternehmen dennoch mit Vehemenz kritisiert und auf ihre indirekten Folgen, wie eine gestiegene Skepsis gegenüber Investitionen in Russland, verwiesen.
Insgesamt bleibt Russland nicht nur für die deutsche Wirtschaft ein unsicheres Terrain. Verlässliche Aussagen, wie sich Russland ökonomisch und politisch in den kommenden Jahren entwickeln würde, seien kaum machbar. Zusätzlich zu den genannten Unsicherheitsfaktoren habe man weiterhin mit einem erheblichen Fachkräftemangel (wer gut ausgebildet ist, verlasse Russland in der Regel), staatlichen Eingriffen und anhaltend hoher Korruption zu kämpfen. Gleichzeitig gebe es durchaus einzelne Beispiele für gute Kooperation und verantwortungsvolles Handeln in Unternehmen und Behörden. Es gilt, solche Initiativen zu suchen und zu fördern, gerade im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen.

Ukraine-Konflikt

In Russland dominiert eine pragmatische, weitgehend entideologisierte Sichtweise auf den Ukraine-Konflikt. Nach den Wahlen in den USA und vor den Wahlen in Frankreich und Deutschland scheint Abwarten angesagt. Die anfänglich zur Schau gestellte Euphorie über den Wahlsieg Trumps ist verflogen. Nunmehr tritt die bestehende Unsicherheit über den zukünftigen außenpolitischen Kurs der Trump-Administration offen zu Tage.
Auch waren sich die meisten GesprächspartnerInnen einig, dass die Beziehungen zur EU wichtig bleiben und die russische Hinwendung nach Asien oder zur Türkei diese nicht ersetzen könne. Angesichts der wirtschaftlichen Erholung Russlands und den Schwierigkeiten der EU, bei den halbjährlichen Abstimmungen über die Sanktionen Geschlossenheit zu wahren (Russland hat seine Gegensanktionen bereits Mitte 2016 um gleich anderthalb Jahre verlängert), besteht gleichzeitig die Hoffnung, dass sich die eigene Verhandlungsposition ohne großes eigenes Zutun verbessern könnte.
Die offiziellen Narrative hinsichtlich der Ukraine, aber auch zur Entwicklung der Ost-West-Beziehungen nach 1991, stehen in einem kaum überbrückbaren Gegensatz zu den vom Westen vertretenen Auffassungen. Prof. Nadeschda Arbatowa vom IMEMO-Institut plädierte einerseits für ein schrittweises Aufeinanderzugehen zur Beendigung des Konflikts in der Ukrai-ne, bestand andererseits auf einer Revision der Helsinki-Schlussakte und der Charta von Paris, die Russland benachteiligen würden.
Der Duma-Abgeordnete Andrej Makarow vertrat selbstsicher die Haltung, die Ukraine (und Syrien) sei ein Problem des Westens, aber nicht Russlands. Lediglich direkte Verhandlungen zwischen Russland und den USA könnten den Status Quo verändern. Die Sanktionen könne Russland problemlos aussitzen. Dazu passt, dass Russland nach Darstellung der deutschen Botschaft angekündigt hat, sich finanziell nicht an einem etwaigen Wiederaufbau Syriens beteiligen zu wollen.
Das nationalistische und aggressive Wording in Bezug auf die Ukraine, das 2013/2014 noch tonangebend war, ist bereits seit längerem weitgehend aus dem offiziellen Diskurs verschwunden. Dass es gleichwohl seine Spuren in der Gesellschaft hinterlassen habe, schilderte Irina Scherbakowa von Memorial: Der jährlich von Memorial durchgeführte „Schülerwettbewerb Geschichte“ stoße immer noch auf große Resonanz (2000 Teilnehmende), jedoch zeigten die eingereichten Arbeiten, dass das Denken der Jugendlichen sich über die Jahre „verflacht“ habe und nationalistischer geworden sei.

Auch Wera Alperowitsch von Sowa1 berichtete vom selbstbewussten und aggressiven Auftreten nationalistischer Gruppierungen, deren Verbindung zu offiziellen Stellen teilweise unklar sei.

 

Am Tropf von Öl und Gas: Russland

Die erhebliche Abhängigkeit Russlands vom Öl-, Gas- und Kohleexport dauert an. Allein die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft machen immer noch mehr als die Hälfte der russischen Exporteinnahmen aus. Die drastischen Erfahrungen mit dem wirtschaftlichen Einbruch der letzten Jahre haben nicht zu einem Umdenken geführt. Es fehlt folglich an ölpreisunabhängigen Wachstumsperspektiven.
Die russische Wirtschaft basiert aber nicht nur maßgeblich auf dem Rohstoffexport – sie verbraucht auch selber Unmengen an Energie. Um die Nachfrage nach billiger Energie zu befriedigen, subventioniert der russische Staat fossile Energieträger direkt mit 22 . Mrd. US-Dolla.. Umso wichtiger wäre, dass Deutschland während seiner G20-Präsidentschaft 2017 auf einen Abbau solcher Subventionen drängt und dabei selbst vorangeht.
Russland gehört absolut zu den größten Emittenten von Kohlendioxid im glo-balen Vergleich. Es ist allein für mehr als 2.000 Megatonnen bzw. gut 5 %3 der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und lag 2013 mit knapp 14,5 Tonnen CO2 auf Platz 26 der Pro-Kopf-Emissionen. Die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens ist jüngst auf Druck von Kohle-Oligarchen auf die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen 2018 verschoben worden.
Dass Russland erheblichen Nachholbedarf im Bereich Energieeffizienz hat, wird von niemandem bestritten. Gleichzeitig tut man sich offenkundig schwer damit, die Probleme anzugehen. Ursprünglich vorgesehene staatliche Gelder für Energieeffizienzmaßnahmen wurden komplett gestrichen. Der Vorsitzende des Energieausschusses der Duma, Pawel Sawalnij, unterstrich zwar das Interesse an westlichem Know-how in diesem Bereich, übte aber gleichzeitig Kritik an der Förderung erneuerbarer Energien und zeigte sich als Skeptiker des Klimawandels.
Beeindruckend war demgegenüber das große Interesse zivilgesellschaftlicher Vertreterinnen und Vertreter am Klimaschutz und der deutschen Energiewende. Hier wurde deutlich, dass es in Teilen der russischen Gesellschaft eine beachtliche Sensibilität für entsprechende Fragestellungen gibt und die Fokussierung des Staates auf fossile Energieträger durchaus kritisch gesehen wird. Derartige Anknüpfungspunkte sollten aus Deutschland heraus stärker wahrgenommen und der zivilgesellschaftliche Austausch zu diesen und weiteren Themen intensiviert werden.
Hinsichtlich NordStream2 zeigten sich die russischen Gesprächspartner von der Wirtschaftlichkeit der Pipeline überzeugt. Man gehe davon aus, dass der Bedarf der EU an Gasimporten aus Russland in den nächsten Jahren noch steigen werde. Grund hierfür sei weniger ein wachsender Gasverbrauch innerhalb der EU, als vielmehr das Versiegen der innerhalb der EU befindlichen Gasquellen, so Sawalnij. Die Einschätzung, dass das Pariser Klimaabkommen und die erforderliche Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energieträger NordStream2 überflüssig machen könnten, wies er zurück.
Andrej Makarow sah demgegenüber die Notwendigkeit für NordStream2 vor allem in der Unzuverlässigkeit der Ukraine als Transit-Land begründet.
Wenig überraschend wurden auch in St. Petersburg die Vorteile einer Pipeline-Erweiterung betont. Mit NordStream2 werde die Hoffnung auf eine Ansiedlung verarbeitender Betriebe in der Region verbunden.
Aus ökologischen Gründen könnten im Einleitungsbereich der bereits existierenden Pipeline bei Wyborg keine weiteren Rohre verlegt werden. Beabsichtigt sei stattdessen, die neuen Rohre bei Ust-Luga in die Ostsee zu führen und diese offshore mit NordStream1 zu vereinigen (Andrej Minin und Maxim Ki-selnikow, Vertreter der Leningrader Gebietsverwaltung).
Auch gegenüber diesen Plänen werden jedoch von Umweltexpertinnen und -experten erhebliche Bedenken geäußert. So führe die derzeitige Trassenplanung für NordStream2 durch ein unter Schutz gestellte Feuchtgebiet und ver-stoße damit sowohl gegen russisches Recht wie gegen die Ramsar-Konvention. Zudem sei bereits widerrechtlich mit ersten Baumaßnahmen in dem Gebiet begonnen worden. Mit Unterschriftensammlungen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen werde nun versucht, Gazprom doch noch zum Einlenken zu bewegen. Ziel der Umweltorganisationen sei eine alternative Trassenführung, mit der das Naturschutzgebiet umgangen werden könne.

Hybride Herrschaft mit Akzeptanz

Im Gespräch mit Memorial kristallisierte sich das Bild einer hybriden, lernfähigen und flexibel agierenden Herrschaft unter Putin heraus. Einerseits habe man es mit Stagnation wie in den bleiernen Jahren der Breschnew-Zeit zu tun. Gleichzeitig beobachte man eine zunehmend nationalistische und ausgrenzende Rhetorik der politischen Elite, ohne dass jedoch eine konsistente Ideologie erkennbar wäre. Staatliche Propaganda und Repressionen nähmen zu, aber bestimmte gesellschaftliche Freiräume existierten weiterhin.

Eine Zukunftsvision der Herrschenden für Russland, die über Putins Wiederwahl 2018 hinausgehe, sei nicht erkennbar. Die Wirtschaft sei von Staatskapitalismus geprägt, aber so lange es der Bevölkerung besser gehe als während der 1990er Jahre, stellten wirtschaftliche Schwächen keine Gefahr für den Machterhalt dar.
Protest entzündet sich derzeit, wenn überhaupt, lokal und thematisch begrenzt – vor allem an der Frage der Korruption. Demonstrationen blieben aber eine Randerscheinungen und kämen zudem in den staatlich kontrollierten Medien nicht vor. Die niedrige Wahlbeteiligung bei der Duma-Wahl sei vor allem ein Hinweis auf die geringe Bedeutung dieser Institution, nicht aber auf einen Ansehensverlust Putins.
Gleichwohl gibt es Anzeichen für anhaltende Nervosität im Kreml, z. B. der begonnene Aufbau einer dem direkten Befehl Putins unterstehenden Nationalgarde. Das Machtgefüge ist komplex und kompliziert austariert, neue wirtschaftliche Erschütterungen sind zumindest nicht auszuschließen.
Wie im gegenwärtigen System vorhandene Freiräume selbstbewusst genutzt werden können, zeigten unter anderem die Treffen mit Michail Ratgaus vom Online-Kulturportal Colta.ru und Sergej Schnurow, Bandleader der Ska-Gruppe Leningrad.
Colta.ru richte sich hauptsächlich an ein urbanes Publikum. In einem Medienmarkt, der weitgehend staatlich kontrolliert sei oder sich in den Händen kremlnaher Kräfte befinde, setze man erfolgreich auf Crowdfunding und er-halte sich so Unabhängigkeit und gewisse Spielräume. Ohne Selbstzensur käme man aber nicht aus – insbesondere die rigorosen Anti-Extremismus-Gesetze wirkten als „Orwell’sches Wahrheitsministerium in den Köpfen der Menschen“, so Michail Ratgaus.
Sergej Schnurow von Leningrad sah sich demgegenüber in seiner Kunstfreiheit nicht eingeschränkt – regelmäßige Gerichtsprozesse gehörten für ihn aber „dazu“.
Ein komplexes Bild zeigt sich auch beim Agenten-Gesetz. Übereinstimmend wurde dessen Formulierung als schwammig und die Anwendung als willkürlich beschrieben. So befinden sich beispielsweise unter den derzeit mehr als 150 vom Justizministerium als „ausländische Agenten“ eingestuften Organisatio-nen etwa 26 bis 28 Umweltorganisationen, die vor allem regional tätig sind. Andere, wie Greenpeace Russland, werden bislang nicht behelligt. Aber auch in den Regionen wird das Gesetz von den lokalen Behörden mal mehr, mal weniger rigoros angewandt. Vielfach werde das Gesetz offenbar genutzt, um gegenüber der Staatsführung Loyalität zu demonstrieren oder sich vor Ort besonders engagierter Gruppen zu entledigen.
Insgesamt waren sich die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft darin einig, dass die mit der Willkür einhergehende Verunsicherung der Organisationen einer der zentralen Effekte des Agenten-Gesetzes sei. Wer als „ausländischer Agent“ eingestuft wird, kann theoretisch zwar seine Arbeit fortsetzen. Viele Organisationen leiden aber unter der öffentlichen Stigmatisierung und verschärften behördlichen Auflagen und Kontrollen. Viele Betroffene sind in kräftezehrende Rechtsstreitigkeiten mit dem Staat verwi-ckelt. Erschwerend komme hinzu, dass sich Organisationen nach der gelten-den Rechtslage bereits strafbar machten, wenn sie sich nicht selbsttätig als „Agenten“ registrierten. Versuche, das Agentengesetz zu umgehen (z. B. durch Umwandlung der NGO in ein Unternehmen), seien bislang nicht erfolgreich gewesen.
Für die Mitarbeitenden einer Nichtregierungsorganisation stelle die Einstu-fung als „ausländischer Agent“ darüber hinaus ein hohes persönliches Sicher-heitsrisiko dar. So wurde Memorial von einer nationalistischen Gruppierung beim Justizministerium denunziert, die zuvor bereits eine öffentliche Veran-staltung von Memorial überfallen hatte.

 

Gesprächspartner

Vertreterinnen und Vertreter deutscher Unternehmen in Russland
Herr Altmann, Deutsch-Russische Außenhandelskammer
Herr Dill, Georgsmarienhütte
Herr Ernandes, Stihl
Herr Heines, BLG Logistics
Frau Pal, Fraport/Northern Capital Gateways
Herr Erdmann, Commerzbank
Herr Damköhler, Josef Gartner GmbH
Andrej Minin, Vorsitzender des Komitees für Außenbeziehungen des Leningrader Gebiets
Maxim Kiselnikow, erster Stellvertreter des Komitees für wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen des Leningrader Gebiets
Jewgenij Usow, Greenpeace Russland
Russische Umweltjournalistinnen und -journalisten:
Frau Artemowa, stellvertretende Vorsitzende des Verbands der Umweltjournalisten in St. Petersburg
Frau Dolgoschewa, Zeitung SPb Wedomosti

 

Fotos: Robert Heuer

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