Am 18. März trafen sich Vertreter*innen der Linken bei den Grünen aus Bund und Ländern. Bei dem Treffen Linke in Mitte trug ich die folgenden Thesen vor:
- CDU, SPD und CSU haben eine grundlegende Gemeinsamkeit, die sie in die Große Koalition geführt hat: Angst vor Neuwahlen. Deshalb müssen wir uns auf das Jahr 2021 orientieren.
- Die neue Große Koalition sieht sich einer Opposition von links wie von rechts ausgesetzt. Die von rechts ist stärker und wird durch die rechtspopulistische Schützenhilfe aus dem Springer-Konzern zusätzlich befeuert. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen wird sich die vorsätzliche Diffamierung von Flüchtlingen, Armen, Muslim*innen oder Frauen à la Spahn und Seehofer fortsetzen.
- Das Bespielen der Themen der AfD durch CDU/CSU und auch SPD stärkt die Rechten ohne ihr Zutun. Es überdeckt sogar deren Radikalisierungsprozess, den die AfD seit sie im Bundestag ist, durchlebt. Sie agiert inzwischen offen rassistisch und völkisch-nationalistisch. Es ist eine Verharmlosung sie als rechtspopulistisch zu bezeichnen. Sie ist rechtsradikal.
- In dieser Lage sind DIE GRÜNEN auf der linken Seite des Parteien-spektrums allein zu Hause. Die SPD hat in der GroKo alle Ambitionen in der Flüchtlingspolitik aufgegeben und sogar der Errichtung von Ankerzentren zugestimmt. Innerhalb der Linkspartei wird das Konzept eines Sozialstaates, von dem zuerst nur Deutsche profitieren sollen, vom Wagenknecht-Flügel dezidiert vertreten.
- DIE GRÜNEN müssen der progressive, sozial-ökologische Gegenpol zur Rechtswende der Gesellschaft werden. Dafür müssen sie aufhören, sich im Parlament als Regierung im Wartestand zu gerieren und stattdessen Alternativen aufzeigen und unbequem sein. Dafür müssen ihre Landesregierungen auch bei den anstehenden Gesetzesvorlagen zu sicheren Herkunftsstaaten oder den Ankerzentren Farbe bekennen und diese im Bundesrat ablehnen.
- Die anstehende Grundsatzdebatte der GRÜNEN dürfte ihre Grundsätze und Werte stärken. Darin liegt auch eine Chance für die Profilierung zu einem progressiven Pol. Und wenn auf die Streitfragen jenseits der Strömungsgrenzen – bedingungsloses Grundeinkommen, Post-Wachstums-Ökonomie – kluge Antworten gefunden werden.
- Dies wird aber nur gelingen, wenn sich diese Debatte nicht im left labelling erschöpft, sondern in operativer Politik mündet. Das gilt insbesondere für die große Baustelle dieser Gesellschaft, die auch die GRÜNEN umtreibt. Es ist das Thema der Gleichheit, der Gleichheit der Lebenschancen, der Teilhabe, des Einkommens und der Vermögen. Der Kampf für mehr Gleichheit muss die Antwort auf eine Gesellschaft wachsender Ungleichheit, Ausgrenzung und Prekarisierung sein.
- Das wird sehr schwer umzusetzen sein. Links der Mitte sind – zu Lasten der SPD – in den letzten 10 Jahren rund 20 % der Wähler*innen verloren gegangen, die nur zum kleinsten Teil von GRÜNEN und LINKEN aufgefangen werden konnten. Mit der Bundestagswahl ist die Mehrheit rechts der Mitte stärker geworden und hat sich gleichzeitig gespalten. Deshalb sind auf absehbare Zeiten nur Lager übergreifende Koalitionen möglich, von der die Große Koalition nur ein Ausdruck ist.
- Aus Österreich wissen wir aber wie das ausgeht. Wenn die Alternativen nur lagerübergreifende Koalitionen oder rechte Mehrheiten sind, dann gibt es am Ende eine rechte Mehrheit. Rechte Mehrheiten beruhen aber auf der Ausgrenzung und Demobilisierung bestimmter Bevölkerungsschichten. Und auf dem Fehlen einer machtpolitischen Alternative links der Mitte.
- Um der progressive Pol der Gesellschaft zu werden, müssen GRÜNE versuchen, diesen Prozess zurück zu kämpfen. Das ist wichtiger, als sich zwischen den Parteien links der Mitte gegenseitig die weniger werdenden Tortenstücke abzujagen. Die Torte muss größer werden. Was die Demobilisierten wieder mobilisiert, muss zum Mittelpunkt GRÜNER Politik werden. Wir müssen mehr Gleichheit wagen.
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