Atom macht keine Kohle – Warum Atomkraft wenig mit Energie aber viel mit Macht zu tun hat


Sehr geehrte Frau Stegen,
Sehr geehrter Herr Meier,
Liebe Freundinnen und Freunde,
vor allem aber,

liebe Silvia

vielen Dank für die Einladung. Wir alle wissen, ohne Dich gäbe es keine offene, partizipative Suche eines Endlager für den gefährlichsten Müll der Welt.

Du hast Verantwortung für Dinge übernommen,  die Du nach Kräften versucht hast zu verhindern und zu mindern. Weil es um unsere Kinder und deren Enkel geht. Du bist eine Heldin.

Ohne Dich gäbe es auch die Karlsruher Atomtage nicht – und das zum 4. Mal. Ich bedanke mich, hierzu eingeladen zu sein.

1  Macht Atomkraft

Ich soll heute über Macht und Atomkraft sprechen. Dabei ist die Atomkraft doch auf einem absteigenden Ast. Das hat Mycle Schneider gestern nochmal deutlich gemacht. Vor 41 Jahren, nach den Prügelorgien und Hubschraubern  in Brokdorf und Grohnde, vor 40 Jahren als wir in Bussen und Bahnen von der Polizei  gehindert wurden gegen den Schnellen Brüter in Kalkar zu demonstrieren – da hätte sich niemand über ein solches Thema gewundert.

Es musste die geballte Staatsmacht eingesetzt werden, um die Atomkraft in Deutschland zunächst durchzusetzen.

Das Übermaß an Macht hat übrigens die Anti-AKW-Bewegung groß gemacht – und zur Gründung der Grünen geführt.

Auch deshalb hat die Atomkraft diese Machtprobe am Ende verloren. Übrigens nicht nur in Deutschland – aber ausgehend von Deutschland.

Warum also von Macht und Atomkraft sprechen, wenn

  • die Erneuerbaren Energien weltweit boomen?
  • die Energiewende in Deutschland die Erneuerbaren global so billig gemacht hat, dass, nunmehr im sechsten Jahr in Folge, weltweit mehr erneuerbare Kapazitäten ans Netz gingen, als fossile und fissile?
  • die Ewigkeitskosten für jede Gigawatt-Stunde Atomstrom höher sind, als jede Alternative?
  • kurz, Atomkraft einfach nicht wettbewerbsfähig ist?

Weil es bei der Atomkraft weniger um Energieerzeugung als um Macht ging – und nie um Wettbewerbsfähigkeit.

Mycle Schneider hat gezeigt, in welchen Ländern noch Atomkraftwerke gebaut werden. Es sind nicht nur Atommächte – sondern vor allem Autokratien.

Deshalb möchte ich über drei Machtfragen sprechen:

  1. Die Macht des Einstiegs
  2. Die Macht der Anreicherung
  3. Die Macht staatsnaher Monopole

2  Macht des Einstiegs

Wettbewerbsfähig war sie beim Einstieg schon gar nicht. Das erste kommerzielle AKW in Deutschland nahm in Bayern vor ziemlich genau 49 Jahren – am 12. April 1967 seinen Betrieb auf – Block A inGundremmingen. Damit begann das Atomzeitalter in Deutschland.

Doch zunächst mussten die Stromkonzerne davon überzeugt werden, diese riesigen Investitionen zu tätigen. Sie verdienten doch gut mit Kohle und Wasser. Das gelang durch – Subventionen.

Die Gesamtkosten in Gundremmingen wurden damals auf 345 Mio. D-Mark veranschlagt. Und der Betreiber – die Kernkraftwerk RWE-Bayernwerk GmbH – musste rund ein Drittel der Baukosten selbst aufbringen. Den Rest übernahmen ERP-Kredite von der KfW, Bürgschaften der Bundesregierung sowie einen Zuschuss der Atomgemeinschaft Euratom in Höhe von 32 Mio. D-Mark.

Und nicht nur das – der Staat verpflichtete sich sogar, 90% möglicher Einnahmeausfälle zu übernehmen – da der dort erzeugte Strom wesentlich teurer war als in einem konventionellen Kraftwerk. Immerhin wurde ein Deckel von 100 Millionen eingezogen.

Das blieb übrigens keine theoretische Garantie – z.B. 1977 wurden 64,6 Mio. D-Mark als „außerplanmäßige Ausgabe“ durch den Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligt und ausgezahlt[1].

Warum stieg Deutschland trotzdem ein?

Am Beginn des Einstiegs in die Atomenergie stand Eisenhowers „Atoms for Peace“

Beim Einstieg in die Atomenergie ging es um eine politische Vorgabe der USA und der angehenden europäischen Atommächte der 1950er Jahre.

Sie hatte das Ziel die zivile und militärische Nutzung der Atomkraft weltweit zu kontrollieren.  Daraufhin gründete sich die IAEA, die fortan den Missbrauch von Spaltmaterial zum Bau von Atombomben verhindern sollte.

Es ging nicht um Energieversorgung sondern um die Verhinderung von Proliferation.

Schon der Einstieg bestätigte, was der unvergessene Hermann Scheer so beschrieb, dass man das Atomzeitalter nur abwickeln kann, wenn man die atomare Abrüstung vorantreibt[2].

Die friedliche Nutzung der Atomenergie hielt Scheer für eine Schimäre. Man kann es auch anders sagen:

Es gibt keine chinesische Mauer zwischen ziviler und militärischer Nutzung von Atomenergie.

Atomtechnik ist double-use-Technik.

3  Die Macht der Anreicherung

Was illustriert das besser, als die Technik, ohne die kein Atomkraftwerk funktioniert: Die Anreicherung von Uran.

Atomkraft Ja oder Nein war immer eine geopolitischen Machtfrage. Das Streben nach der Bombe beginnt in allen Fällen mit der sogenannten zivilen Nutzung. Und das Offenhalten der nuklearen Option geht einher mit dem Festhalten an der Atomkraft.

Es gibt heute fünf offizielle Atommächte: die USA, Frankreich, China, Großbritannien und Russland.

Außerdem gibt es vier inoffizielle Atommächte: Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel.

Darüber hinaus partizipieren an dem nuklearen Arsenal der USA mehrere NATO-Staaten im Rahmen der nuklearen Teilhabe – darunter nicht nur Deutschland, Italien, Belgien… sondern unter anderem auch die Türkei.

Doch auch mehrere Staaten, die im Atomwaffensperrvertrag auf Atomwaffen verzichtet haben, verfügen über die Technologie zum Bau der Bombe – und wenden diese Technologie täglich an.

Deutschland und Japan etwa betreiben Urananreicherungsanlagen.

Ja dürfen die denn das?

Ja. Dank Deutschland. Der erste Atomminister Deutschlands war Franz-Josef Strauß.

Er setzte es durch, dass beim Atomwaffensperrvertrag die Urananreicherung ausgenommen wurde.

Vor über 50 Jahren vereinbarte das sozialliberale Deutschland unter Kanzler Schmidt das Deutsch-Brasilianische Atomabkommen mit einer Militärregierung. Es verschaffte so Brasilien. Zugang zu Nukleartechnologie zu geben.

Schon 1958 waren drei Uranzentrifugen von Bonn nach Brasilien geliefert worden. 1975 ging es Helmut Schmidt darum, dass die Kosten der Atomkraftwerke durch höhere Stückzahlen gesenkt wurden – durch Export. Dem brasilianischen Diktator in Ernesto Geisel ging es um die Anreicherung für das Militär.

Das Abkommen ist bis heute in Kraft. 2004 wollten wir dieses Abkommen beenden.  Das hat das Ende von Rot-Grün verhindert.

Wenn heute die Türkei nach Atomkraftwerken strebt, dann dürften Erdogan ähnliche Motive antreiben wie damals Geisel. Nicht Energie sondern Zugriff auf Atomtechnologie. Im April 2018 begann der Bau in AkkuyuMycle hat sicher davon gesprochen.[3] Westliche Geheimdienste sind sich angeblich einig darüber, dass die Türkei die nukleare Option mindestens offen hält. Inzwischen warnt auch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel vor einer Atommacht Türkei. [1]

Die Folgen des Schlupflochs für die Anreicherung im Atomwaffensperrvertrag reichen bis heute.

Über ein Jahrzehnt brauchten europäische, russische, chinesische und amerikanische Diplomaten um den Iran unter dem Druck von Sanktionen ein Abkommen abzuverhandeln.

Das Iran Abkommen ist ein historisches.

Es sorgt überprüfbar dafür, dass der Iran zumindest für 15 Jahre seine nuklearen Aktivitäten so einschränkt, dass es ihm unmöglich ist, die Entwicklung einer Atombombe voranzutreiben:

  • der Iran hat die Anzahl der Zentrifugen von 19.000 auf 6.000 reduziert
  • seinen Vorrat an leicht angereichertem Uranium von über 10 Tonnen auf 300 kg reduziert

Im Gegenzug wurden dann die Sanktionen, die vom Sicherheitsrat verhängt wurden – die den Nuklearbereich betreffen – aufgehoben. Dafüraber verzichtete der Iran auf Rechte, die ihm nach dem Atomwaffensperrvertrag in der Version Strauß zustanden.

Dieses historische Abkommen ist in Gefahr. Donald Trump ist für die USA einseitig aus dem Abkommen ausgestiegen.

Wenn es Europa zusammen mit Russland und China nicht gelingt dies Abkommen gegen die USA zu retten, dann droht ein nukleares Wettrüsten im Mittleren Osten.

Die erste Atommacht (nach Israel) wird nicht der Iran sein, sondern Saudi-Arabien und nach dem Iran wird auch Ägypten zur Atommacht werden wollen.

Viele aber wollen so hybride nukleare Mächte wie Deutschland. 2022 wird in deutschland das letzte Atomkraftwerk stillgelegt.

Doch die Uranfabriken der Urenco  in Gronau und Lingen reichern munter weiter an. Nicht nur Brennelemente für den Schrottreaktor Tihange, den die Bundesregierung angeblich stilllegen will.

Die Urenco reichert auch für die modernisierten Atomwaffen der USA an.

Macht und Militär leben in Symbiose mit der Atomkraft.

4  Macht der Monopole

Atom und Monopole gehören zusammen. Gerade weil Atomkraftwerke nicht wettbewerbsfähig sind, bedarf es staatlich garantierter Monopole.

Wenn in Spanien die Fotovoltaik schlechter da steht, als in Deutschland, dann liegt das nicht am Mangel an Sonne. Sondern daran, dass dezentrale Energieerzeugung durch Jedermann das Monopol der Endesa in Frage stellt.

Auch das lehrt das Beispiel aus Deutschland. Einen richtigen Energiemarkt wurde erst durch Erneuerbaren Energien Gesetz geschaffen. Davor wurde die Energiebranche jahrzehntelang von einem Macht-Quadropol der vier großen Energieriesen Vattenfall, E.on, RWE und EnBW dominiert.

Durch staatlich regulierte und garantierte Gebietsmonopole hatten sich aus neun regionalen Energieversorgen die Big Four herausgebildet. Und sie hatten sich gut in ihrem Monopol eingerichtet. So gut, dass sie mit der Liberalisierung des Strommarktes gewaltig ins Schleudern kamen.

Im Jahr 2002 hatten die Vier einen gemeinsamen Marktanteil von fast 90 Prozent. Ihre Marktmacht beruhte auf Atom- und Kohlekraftwerken, aus Strom- und Gasnetzen.

Heute ist ihr Marktanteil geschrumpft: auf 34 Prozent bei Großkunden und knapp 40 Prozent bei Mittelstand und Haushalten.

Die großen Vier haben verbissen am großen Fehler der Atomkraft festgehalten. Mit massivem Lobbydruck haben sie die schwarz-gelbe Bundesregierung zeitweilig zum Ausstieg aus dem Ausstieg gebracht.

Ihr größter und arrogantester Fehler war aber, dass sie das EEG ignoriert haben. Weil die angeblichen so übersubventionierten Erneuerbaren den Energiekonzernen nicht die gewohnte Kapitalrendite von 15 Prozent brachten, setzten sie weiter auf Kohle und Atom.

Und dieser Fehler wird im Hambacher Wald gerade fortgesetzt.

Das Ergebnis: Die Aktienkurse von RWE und E.on haben sich halbiert, ihre Schulden vervielfacht. Sie machten Milliardenverluste.

Vierzig Prozent des Stroms werden heute erneuerbar erzeugt. Dieser Strom ist weitgehend konzernfrei.

Auf diesem Markt tummeln sich die Stadtwerke Schönau, Naturstrom im 20sten Jahr. Die Anlagen gehören Bürgern Bauern, Fonds und Genossenschaften.

Was lehrt uns das:

Wer die Macht der Monopole brechen will – muss viele ermächtigen. Das ist der Kern der Energiewende.

Deutschland hat die globale Energiewende möglich gemacht. Hier wurden die Kosten um über 90 % gesenkt. Heute ist die Referenzgröße für die Kosten einer Kilowattstunde weltweit ein Windrad – in scharfer Konkurrenz zum Fotovoltaik Panel.

Weltweit boomen erneuerbare Energien. In Deutschland aber steht die Bundesregierung auf der Bremse. Sie will den alten Konzernen die Kohle retten. In China, in den USA, in Indien aber wird massiv in Wind und Sonne investiert.

Atom macht keine Kohle

5  Macht Atom

Wer die Macht des Atom brechen will, muss

  • Aus der Atomenergie raus und in Erneuerbare einsteigen
  • Das Geschäft mit der Urananreicherung beenden
  • Den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren
  • Für Markt statt Monopole sorgen

Vielen Dank!


[1]              http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/sigmar-gabriel-warnt-tuerkei-koennte-nach-der-atombombe-greifen-15746480.html


[1]              http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/08/013/0801316.pdf

[2]              https://books.google.de/books/about/100_Prozent_jetzt_Zusammenfassung.html?id=B_JHswEACAAJ&redir_esc=y

[3] https://www.welt.de/politik/ausland/article132446686/Arbeitet-die-Tuerkei-heimlich-an-der-Atombombe.html

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