Veranstaltungsbericht
Anlässlich der bevorstehenden Kongresswahlen in den USA hatte die grüne Bundestagsfraktion Mitte Oktober zu einer Diskussion mit Gästen der Heritage Foundation und des Centers for American Progress geladen. Besonderes Augenmerk lag auf der innenpolitischen Lage des Landes sowie möglichen Auswirkungen, die die Wahlen auf die Handlungsfähigkeit von Präsident Trump haben könnten.
Die am 6. November stattfindenden Halbzeit-Wahlen (Midterm Elections) gelten traditionell als wichtiger Gradmesser für die Zwischenbilanz eines Präsidenten. Oft geht es dabei um die Frage, ob das Weiße Haus im Senat und Repräsentantenhaus noch eine Mehrheit stellt.
Trumps Mehrheit wackelt
Bislang konnte sich Donald Trump auf eine republikanische Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch – zumindest nominell – im Senat stützen. Dort jedoch verweigerten ihm zuletzt wiederholt prominente Senator*innen die Gefolgschaft, etwa bei der versuchten Aufhebung der von der Obama-Regierung beschlossenen Gesundheitsreform.
Nun wackelt auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus, denn die demokratische Partei macht sich nach der Wahlniederlage 2016 bereit für die Eroberung dieser Kammer des Kongresses. Das könnte nicht nur Trumps politischen Spielraum deutlich einschränken. Sollten viele republikanische Kongressmitglieder ihre Mandate verlieren, dürfte auch die Loyalität zum Präsidenten wackeln.
Unsere amerikanischen Gäste waren sich einig, dass die republikanische Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren werde. Ihre Mehrheit im Senat werde sie dagegen vermutlich sichern können. Doch noch sei nichts entschieden und beide Parteien würden bis zum Schluss viel Energie in den Wahlkampf stecken, um alle Bürger*innen von der Bedeutung der Stimmabgabe zu überzeugen.
Ein tief gespaltenes Land
Der für die transatlantischen Beziehungen zuständige Abgeordnete der grünen Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, stellte in seiner Einführung fest, dass die Wahlen in einem tiefgespaltenen Land stattfinden. Die Präsidentschaft Donald Trumps sei hierbei eher Ausdruck einer bereits vorherrschenden Spaltung als deren Ursache. Gründe hierfür seien die soziale Ungleichheit und der Strukturwandel. Dies führe mittlerweile zu erbitterten Kämpfen zwischen beiden politischen Lagern, beim Klimaschutz, der #metoo-Bewegung oder der Ernennung von Brett Kavanaugh zum Richter am Obersten Gerichtshof.
Winnie Stachelberg, Executive Vice President für Auswärtige Angelegenheiten am Center for American Progress, ist eine deutliche Kritikerin von Präsident Trump. Sie berichtete, dass sich seit Beginn der Trump-Präsidentschaft eine neue Grassroots-Bewegung entwickelt habe, die nicht nur gegen den Präsidenten, sondern auch gegen seine Politik und Agenda protestiere.
Polarisierung und Aktivierung
Entsetzen verspürten viele dieser Wähler*innen über politische Entscheidungen wie das Einreiseverbot gegen Bürger*innen einiger mehrheitlich muslimischer Staaten und die Trennung von Eltern und deren Kindern an der Grenze zu Mexiko, die ohne Visum eingereist sind. Nicht zuletzt um die Verabschiedung solcher Maßnahmen zukünftig unmöglich zu machen, unterstütze die demokratische Basis enthusiastisch den Wahlkampf. Dadurch hätten sich der demokratischen Partei neue Wähler*innengruppen erschlossen und es würden weitreichende Bündnisse gebildet.
So wählten beispielsweise Frauen mittlerweile zu 30 Prozent eher Demokrat*innen als Republikaner*innen. Aber auch Afro-Amerikaner*innen, Hispano-Amerikaner*innen und Wähler*innen außerhalb der Metropolen verbündeten sich in ihrem Protest gegen die Politik Trumps. Für Demokrat*innen, so Stachelberg, gehe es deshalb bei den Midterm Elections nicht allein darum, ihre Partei an der Wahlurne zu unterstützen, sondern viel mehr um die Zukunft der USA.
Zersplitterte Republikaner*innen
Als Vertreter der republikanischen Sichtweise war Dr. David Azerrad von der Heritage Foundation eingeladen. Die traditionell konservative Heritage Foundation gilt als einer der Trump-freundlichsten Think Tanks in Washington und hat die Regierung Trump bei einigen Vorhaben beraten.
Auch David Azerrad attestierte den USA eine tiefe politische Spaltung. Die größte Trennung sah er zwischen den Eliten an den Ost- und Westküsten und der Mitte des Landes, dem sogenannten „fly-over country“, das von der demokratischen Partei weitgehend ignoriert werde. Diese Trennung zwischen großen Teilen der Bevölkerung führe aber auch dazu, dass die republikanische Partei mittlerweile in viele Fraktionen zerfallen sei. Denn während die Demokrat*innen von einer gemeinsamen Identitätspolitik und dem grundlegenden Wunsch nach Umverteilung vereint würden, müsse die republikanische Partei mehrere, teils sehr unterschiedliche politische Ansätze verknüpfen.
Eine dieser Fraktionen sei beispielsweise geprägt von der amerikanischen Arbeiter*innenklasse, die sich zum Teil stark mit Trump identifiziere und sich zu einer „trumpist fraction“ entwickeln könnte. Für Azerrad ist klar, dass der trumpsche Populismus kein neues Phänomen heraufbeschworen hat, sondern von einer Stimmung profitiere, die schon lange Zeit vor seinem politischen Aufstieg existierte. Egal wie diese Zwischenwahlen im November oder auch die kommenden Präsidentschaftswahlen ausgehen, so Azerrad, die politische Situation in den USA werde nie wieder so sein wie zuvor.
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