Anlässlich des NATO-Gipfels in London am 3. und 4. Dezember 2019 erklären Dr. Tobias Lindner, Sprecher für Sicherheitspolitik, und Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Die NATO ist an ihrem 70. Geburtstag in einer existenziellen Krise. Die Äußerungen von Emanuel Macron waren eine Provokation – aber sie haben eine überfällige Debatte angestoßen. Dieser Debatte verweigert sich Deutschland, ebenso wie andere NATO-Staaten. Maas und Merkels Bashing gegen Macron belegt nicht nur die tiefe Krise in den deutsch-französischen Beziehungen. Es steht auch augenfällig im Kontrast zu der Zögerlichkeit, mit der der völkerrechtswidrige Krieg der Türkei in Nordsyrien verurteilt wurde. Das Bündnis muss sich bei diesem Gipfel ernsthaft mit seiner inneren Verfasstheit auseinandersetzen. Es ist inakzeptabel, dass ein NATO-Mitglied völkerrechtswidrig in Nordsyrien interveniert. Das muss im Bündnis Konsequenzen haben.
So richtig es ist, dass die EU die abschreckende Wirkung der NATO zurzeit nicht ersetzen kann, so wahr ist auch, dass die NATO schon lange nicht mehr die Antwort auf die neuen Sicherheitsherausforderungen durch die Konflikte südlich von Europa ist. Hier muss Europa eine eigene Antwort geben.
Die wichtigste Aufgabe der NATO ist die Verteidigung ihrer Mitglieder gegen symmetrische Bedrohungen. Diese Aufgabe kann sie aber nur dann wirklich wahrnehmen, wenn ihre Mitglieder die internen Differenzen überwinden. Dafür müssen sie sich ehrlich machen. Es reicht nicht, wenn die Staats- und Regierungschefs beim Geburtstagsgipfel Geschlossenheit simulieren.
Die Vorstellung, dass ein höherer deutscher Beitrag zu den NATO-Gemeinschaftskosten den Streit um das Zwei-Prozent-Ziel entschärfen könne, ist absurd. Das ist ein weiterer vergeblicher Versuch, Donald Trump zu beschwichtigen. Doch inzwischen sollte allen klar sein: Der US-Präsident lässt sich nicht beschwichtigen. Die Bundesregierung muss endlich mal Klartext reden. Der Zwei-Prozent-Fetisch lenkt von den eigentlich wichtigen Fragen über die konkrete Ausrichtung und Ausgestaltung des Bündnisses ab.
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