Schild mit Aufschrift CO2

2020: Klimaversager Deutschland 

Der Blog zwischen den Jahren – Teil 4

Ihre guten Vorsätze für 2020 hat die EU-Kommission bereits im letzten Dezember präsentiert. Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Das ist der Green Deal. Er soll noch in diesem Jahr Gesetz werden. Viel spricht dafür, dass die entscheidende Einigung zwischen Rat und Europäischen Parlament im zweiten Halbjahr stattfinden wird. Dann hat Deutschland die Präsidentschaft im Rat. Es ist Angela Merkels zweite – und letzte – Präsidentschaft in Europa.

Das ist eine schlechte Nachricht für den Klimaschutz. Denn Klimaschutz findet bei Merkel fast nur in Neujahrsansprachen statt: „Also müssen wir auch alles Menschenmögliche unternehmen, um diese Menschheitsherausforderung zu bewältigen. Noch ist das möglich.“ Sie hätte auch sagen können – Es gibt viel zu tun, warten wir es ab

Die Zeiten, in denen Deutschland ein aktiver Vorreiter gegen die Klimakrise war, sind lange vorbei. Gerade die Jahre der Kanzlerschaft Merkels waren ein Jahrzehnt des Stillstands. Die noch von Rot-Grün auf den Weg gebrachten Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Einführung des Emissionshandels führt zwar zu einem Rückgang der Treibhausgase aus der Stromerzeugung. Doch aller RWE und E.on abgetrotzter Fortschritt wurde von steigenden Verkehrsemissionen wieder aufgefressen.

2020 wird das Jahr der Schande der CDU und SPD. Deutschland verfehlt sein Ziel – 40 % der Treibhausgase einzusparen – krachend. Ende 2019 waren es 31 % – 2020 sollen es laut Projektionen keine 34 % werden. Klimaversager.

Man muss das so deutlich aussprechen, weil die Große Koalition nach dem Motto Wo wir heute schon versagen – verschieben wir es halt auf morgen ein Klimapäckchen gepackt hat, mit dem versprochen wird nun wenigstens das völkerrechtlich verbindliche Ziel für 2030 zu erreichen. Dann muss Deutschland 55 % reduziert haben – sonst schafft Europa seine 40 % aus dem Pariser Abkommen nicht.

Doch das Klimapäckchen füllt die Lücke trotz des von den Grünen ertrotzten höheren CO2-Mindespreises von 25 € nicht. Auch damit bleibt Deutschland deutlich unter den zugesagten 55 %. So droht auch die 2030-Hürde gerissen zu werden – und damit das Pariser Abkommen.

Würden alle Vertragsstaaten von Paris ihre Zusagen umsetzen, könnte die Klimakrise auf einen Anstieg von 2,6 °C begrenzt werden. Davon ist Deutschland weit entfernt. Soll die Klimakrise auf 1,5 bis 2 °C begrenzt werden, muss mehr passieren. Das ist die Idee des Green Deal von Ursula von der Leyens und Frans Timmermanns EU-Kommission.

Die EU-Kommission reagiert damit auf eine Entwicklung ungebremst ansteigender CO2-Emissionen. Allen Streiks und Klimakonferenzen zum Trotze hat sich der Ausstoß von Treibhausgasen von 1970 mit 16 Mrd. Tonnen auf 38 Mrd. im Jahr 2018 mehr als verdoppelt. Von diesen Treibhausgasen stammten 2018 aus China 30 %, aus den USA 14 % und aus Europa 9 % – fast ein Viertel davon aus Deutschland. 

Für ein klimaneutrales Europa 2050 müssen die europäischen Emissionen bis 2030 mindestens um die Hälfte sinken. Und die deutschen Emissionen um mindestens Zweidrittel. Da aber ist die Kanzlerin vor. Sie meinte in der Regierungsbefragung in der letzten Sitzung des alten Jahres, wir müssen „langsam in eine Kohärenz kommen, wie viel Reduktion jeder Mitgliedstaat schafft, und da sind wir mit unseren 55 Prozent gut dabei“.

Kohärenz ist für Merkel ein anderes Wort für Hannemann geh Du voran – wir machen nicht mehr, wenn andere auch nicht mehr machen. Doch warum soll Deutschland eigentlich mehr machen?

Ganz einfach: Weil Deutschland mehr emittiert als andere. 

Und über die Jahrzehnte hat Deutschland mehr CO2 in der Atmosphäre eingelagert. CO2, das dort noch lange verbleibt. Deutschland ist nicht nur der mit Abstand größte Treibhausgasemittent in der EU. Er ist auch beim Pro-Kopf-Ausstoß vorne mit dabei. Während es im EU-Durchschnitt 2017 viel zu viele 8,4t pro Kopf im Jahr waren, emittierten die Deutschen fast ein Drittel (31 %) mehr.

Es gibt in der internationalen Klimapolitik seit der Konferenz von Rio 1992 den Grundsatz der Gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung. Das Klima ist unsere gemeinsame Verantwortung, jeder Staat hat seinen eigenen Beitrag zu ihrer Bekämpfung zu leisten – differenziert nach seiner Verantwortung am Ausmaß der Klimakrise. Und wenn 30 Jahre nach Helmut Kohl und Klaus Töpfer Europa nun endlich klimaneutral werden soll, dann müssen die großen Emittenten mehr reduzieren, um auf Null zu kommen, als andere mit weniger Emissionen.

Kohärenz kann es nur im Ziel, nicht auf dem Weg dorthin geben. Deshalb muss der Klimaversager Deutschland nun seine Hausaufgaben machen. Bis 2030 müssen gut Zweidrittel seiner Treibhausgase reduziert werden. Und dafür haben wir ab jetzt noch genau 10 Jahre Zeit. In Deutschland und in Europa.

In Deutschland wird das nicht klappen, wenn es beim Klimapäckchen bleibt. Dieses muss mächtig an Gewicht zulegen. Das gilt nicht nur für die Entwicklung des CO2-Preises, der immerhin dank grüner Intervention mit 25 Euro, statt der von der GroKo geplanten 10 Euro starten soll. Hierzu gehört ein ganzes Bündel von Maßnahmen, vom Ende von Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren, kleineren Maßnahmen wie einem Tempolimit über den Abbau der milliardenschweren fossilen Subvention bis zu einer am Klimaschutz orientierten Investitionspolitik.

Der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist möglich, nicht nur im Strombereich, bei dem wir jetzt bereits bei 46 Prozent liegen (selbst in der schlechtesten Woche im Mittel bei knapp 30 Prozent – allen Unkenrufen und Warnungen vor Dunkelflauten zum Trotz.). Dafür mus die Blockade beim Ausbau der Windenergie endlich beendet werden. Wichtig wäre es, endlich auch die Wärmewende voranzubringen: die energetische Sanierung voranbringen, neue Ölheizungen verbieten, den Umstieg auf Wärmepumpen und Solarthermie fördern.

Die klimaschädlichen Subventionen scheinen für das CSU-geführte Verkehrsministerium so eine Art Heiliger Gral zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass Flugbenzin Steuerfreiheit gilt, für Tickets die ermäßigte Mehrwertsteuer? Beenden wir diese Subventionierung des Fliegens. Hören wir auf den Diesel zu subventionieren, aber auch das Öl für Bayer und BASF. Wir könnten so bis zu 50 Mrd. € jährlich sparen. Geld, das dringend in Klimaschutz und Innovation benötigt würde.

In Europa wird es sehr schwer, wenn Merkels Ansage, dass sie über die neuen Ziele der Europäischen Union im Europäischen Rat  entscheiden will, Wirklichkeit wird. Denn es ist kein „Vorteil, dass alle Länder zustimmen müssen und keine Überstimmung einzelner Länder erfolgen kann“ (Merkel). Es ist die Institutionalisierung eines nationalen Vetorechts gegen die gemeinsamen demokratischen Institutionen der Europäischen Union, der Kommission, dem Europaparlament und dem regulären Rat. Es ist ein Vetorecht gegen den Klimaschutz.

Der Rat der Staats- und Regierungschefs hat schon dafür gesorgt, dass weder die Ausbauziele für Erneuerbare Energien noch das Energieeffizienzziel für 2030 verbindlich sind. Obwohl all dies mit der Mehrheit des Parlaments wie der Mehrheit der Mitgliedsstaaten hätte entschieden werden können. Wenn Merkel nun genau darauf setzt, verheißt das für den Klimaschutz im nächsten Jahr nichts Gutes. Der Klimaversager Deutschland versucht sich ein Vetorecht zu verschaffen.

Für den Green Deal hängt nun alles daran, ob Ursula von der Leyen sich durch Merkel das Paket wegnehmen lässt, um es im Europäischen Rat zu versenken. Man kann der neuen Kommissionspräsidentin nur die Daumen drücken. 

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