Rede im Bundestag: Bundeswehreinsatz vor der Küste Somalias

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute Morgen hat es erneut einen schweren Anschlag in Mogadischu gegeben. Das zeigt: Die Krise, der Staatszerfall, die Not verschärft durch eine Nahrungskrise, verschärft durch die Coronapandemie in dieser Region halten an. Wir haben doch zur Kenntnis zu nehmen – das will ich an dieser Stelle einmal sagen, wenn man so nonchalant darüber hinweggeht -, dass Save the Children im April noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass dort eine Hungersnot droht, da die Getreide- und Gemüseproduktion in dieser Saison voraussichtlich um 75 bis 80 Prozent zurückgehen wird. Vor diesem Hintergrund finde ich es keine Bagatelle, wenn die Europäische Union unter Beteiligung von Deutschland international dafür Sorge trägt, dass Schiffe des World Food Programms durchkommen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das den Effekt hat, dass faktisch keine Piratenangriffe mehr stattfinden, dann finde ich das gut und finde keinen Grund dafür, das zu beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben natürlich recht, es ist auch ein Stück Symptombekämpfung. Ja, die Erweiterungen des Mandats zeugen davon, dass man an dieser Stelle mehr machen muss. Natürlich brauchen wir eine andere Fischereipolitik der Europäischen Union, selbstverständlich brauchen wir auch eine andere Fischereipolitik der Chinesen, die dort fischen, aber ich kann mich doch nicht hinstellen und sagen: Die Symptome will ich gar nicht bekämpfen, wenn diese Symptome bedeuten, dass die Bevölkerung Somalias anschließend Hunger leidet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU))

Dann bin ich, ehrlich gesagt, für Symptombekämpfung. 

Ich komme jetzt an einen Punkt, an dem ich eine ganz komische Gemeinschaft entdecke zwischen der Linken und der Bundesregierung.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört! – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Jetzt wird es gefährlich!)

Die Linke ist gegen diesen humanitären Einsatz mit UN-Mandat und allem, weil sie daran ein Stück Militarisierung der Außenpolitik sieht. Frau Vogler hat das ja eben beschrieben.

(Zuruf von der LINKEN: So ist es! – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Weil sie verbohrt sind! Das ist alles!)

Die Regierung sagt: Zumindest die Option für diese Militarisierung wollen wir uns offenhalten. Anders macht es nämlich keinen Sinn, dass eine Option, die die SPD übrigens lange Zeit vehement abgelehnt hat – ich erinnere mich noch an die Reden des Kollegen Mützenich -, immer noch in diesem Mandat steht, nämlich die Option, auch an den Strand zu gehen, um bis zu 2 Kilometer ins Land rein Krieg zu führen. Meine Damen und Herren, wenn Sie darauf hinweisen, dass diese Option in den letzten Jahren nie gezogen worden ist, warum steht sie dann immer noch im Mandat?

(Jürgen Hardt (CDU/CSU): Weil sie abschreckt!)

Warum ist sie immer noch drin, wenn Sie es ernsthaft nicht wollen? Ich finde aber – ja, ich stehe zur Symptombekämpfung -, man darf ein solches Mandat nicht missbrauchen, auch nicht für solche Optionen. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie es geschafft hätten, dieses Mandat endlich – ich sage betont: wieder -zustimmungsfähig zu machen, indem Sie auf diese Aktion verzichten, auch wegen des Vorteils, dass Sie den Linken damit ein Argument weggenommen hätten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Hardt (CDU/CSU): Jetzt haben Sie aber lange nach dem Haar in der Suppe gesucht!))

Anmerkung: In dieser Version des Redetextes wurden Korrekturen vorgenommen. So heißt es im Original „Nonchalance“ und hier „nonchalant“. Save the Children verwies auf einen Rückgang in der Getreide- und Gemüseproduktion von 75 bis 80 Prozent und nicht auf den Bevölkerungsanteil, der von der Hungersnot betroffen sein wird. Deshalb wurde im Vergleich zum Original auch der Hinweis auf „drei Viertel“ der Bevölkerung Somalias, die unter Hunger leidet, gestrichen. Aufgrund von sprachlicher Genauigkeit strichen wir im letzten Satz das Wort „mindestens“ und ersetzten „um den Preis“ durch „wegen des Vorteils“. Der unveränderte Redetext kann hier nachgelesen werden.

Rede vom 21.04.2021 zu TOP 7 „Fortsetzung EU-NAVFOR-ATALANTA-Einsatz Somalia“

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