Anlässlich des NATO-Gipfels am 14. Juni in Brüssel erklärt Jürgen Trittin, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss:
Die Teilnahme von US-Präsident Biden beim NATO-Gipfel am Montag ist ein wichtiges Signal auf seinem ersten Auslandsbesuch. Für die USA ist die NATO nicht mehr „obsolet“ und Europa ist nicht länger „worse than China“ wie unter Donald Trump. Es ist im gemeinsamen Interesse von Europa und den USA bei der Bündnisverteidigung zusammen zu arbeiten. Dafür aber müssen sich die NATO-Partner der tiefen Krise der Organisation und auch den widerläufigen Interessen stellen. Denn bei aller neuen Tonalität sind die alten Probleme geblieben.
So agiert das NATO-Mitglied Türkei weniger als Partner, sondern mehr als Spoiler, ob im östlichen Mittelmeer, in Syrien, in Libyen oder zuletzt in Nagorny Karabach. Die Türkei des Autokraten Erdoğan tritt die Werte des NATO-Bündnisses unverhohlen mit Füßen. Hier muss es nicht nur eine klare Sprache geben, sondern einen Stopp von Waffenlieferungen.
Auf dem NATO-Gipfel wollen die Mitglieder eine strategische Neuausrichtung beschließen. Dafür darf das Kernziel Bündnisverteidigung nicht immer weiter in den Hintergrund geraten und sich die NATO nicht in Debatten über neue Zuständigkeiten verlieren. Dringend nötig ist eine klare Positionierung der Bündnispartner, sowohl in Bezug auf Verbündete als auch auf Außenstehende.
Die Beziehung zu China ist eine große geoökonomische Herausforderung. Die NATO überhebt sich als Militärbündnis, wenn sie Antworten auf diese Herausforderungen finden will. Antworten müssen geoökonomischer und nicht militärischer Natur sein. Dass Generalsekretär Stoltenberg die NATO zu einer Anti-China-Allianz umdefinieren möchte, ist nicht hilfreich. Für globale Probleme wie Klimawandel oder Proliferation können ohne China keine Lösungen gefunden werden.
Die NATO sollte die unselige Zwei-Prozent-Debatte beenden. Dass inzwischen 12 europäische – häufig kleine – Staaten dieses Ziel erfüllen, liegt nicht an erweiterten militärischen Kapazitäten. In der Coronakrise ist teilweise die Wirtschaftsleistung so dramatisch eingebrochen, dass die Zwei Prozent auch so erreicht wurden. Europa muss insgesamt resilienter werden. Verbesserte europäische Strukturen und gesteigerte Kapazitäten, um mehr Verantwortung zu übernehmen, werden auch dem Bündnis NATO langfristig zu Gute kommen.
Schließlich muss es eine Antwort auf die Lage in Belarus geben. Mit der Entführung von Roman Protasewitsch auf dem Weg zwischen zwei NATO-Staaten wurde Völkerrecht massiv verletzt. Eine spürbare Antwort für Lukaschenko ist der Stopp von Öl- und Kaliexporten nach Europa und Nordamerika.
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