Revolution: Wie das EEG half, die Welt auf den 1,5 Grad Pfad zu bringen

Moin,
liebe Studierende,
lieber Herr Prof. Schmitt,

vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, heute im Rahmen der Ringvorlesung zum Thema Klimakrise sprechen zu dürfen.

Ob und warum wir schon heute in einer krisenhaften Situation mit Blick auf das Weltklima leben, haben Sie, Herr Professor Schmitt, ja hier in dieser Ringvorlesung schon ganz am Anfang der Reihe eindrücklich dargelegt.[1]

Ich möchte mich der Frage widmen, was wir tun können um die Welt auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Vor allem, welcher Voraussetzungen es dafür bedarf.

Deshalb spreche ich über das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz und wie es half, die Welt auf den 1,5-Grad-Pfad bringen zu können.

Dieses EEG ist nur ein kleiner aber notwendiger Beitrag dazu – notwendig aber selbstverständlich nicht hinreichend.

Das EEG ist ein zentraler Baustein dafür, dass wir heute wesentliche Instrumente in der Hand haben, die Klimakrise einzudämmen.

Das EEG ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass es politischer Rahmensetzungen bedarf, wollen wir die Klimakrise begrenzen. Denn Klimaschutz können wir nicht den Kräften des freien Marktes überlassen. Im Gegenteil:

„Die Klimakrise ist der größte Fall von Marktversagen, den die Welt je gesehen hat.“[2]

Das sagen nicht die Grünen, das sagte Sir Nicholas Stern, früherer Chefökonom bei der Weltbank. Er sagte es vor 15 Jahren. Ein Markt, der seine eigene Grundlage zerstört, der Wachstum gefährdet, muss scheitern. Dieses Marktversagen müssen wir korrigieren.

Darum geht es.

  1. Klimakrise verschärft sich

In den letzten Tagen hat uns ja auf unterschiedlichen Wegen der Entwurf für den nächsten Bericht des IPCC, des Weltklimarates erreicht. Er ist in seiner Dramatik intensiver, als vieles, was dazu schon gesagt wurde.

Die Erwärmung der Erde nimmt immer mehr zu. Die Folgen werden immer dramatischer.

Dass wir Kipppunkte – also Punkte an denen sich das Ökosystem unwiederbringlich verändert – erreichen wird immer wahrscheinlicher. Vielleicht haben wir einige schon erreicht.

In dem Bericht soll es heißen:

„Das Leben auf der Erde kann sich von einem dramatischen Klimaumschwung erholen, indem es neue Arten hervorbringt und neue Ökosysteme schafft. Der Mensch kann das nicht.

Mit anderen Worten: die Erde wird weiter existieren. Trotz Klimakrise. Was die Weiterexistenz  des Menschen angeht, ist die Prognose mindestens unsicher.

Die Klimakrise, das muss ich hier nicht weiter ausbreiten, ist real. Sie ist eine globale, ja eine planetare Krise – und ihre Eindämmung erfordert die größte Transformation seit Beginn der Industrialisierung.

Die Klimakrise tritt eben nicht erst morgen oder übermorgen ein. Sie ist heute real messbar an abschmelzenden Gletschern, tauenden Permafrostböden, einem eisfreien Nordpol, Starkwetterereignissen. Und 2020 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in Europa.

Die Minderernten betragen durch die Erwärmung der Erde  in den letzten Jahrzehnten schon bis zu 10 Prozent weltweit. Und es gibt Gebiete, die davon überproportional betroffen sind – so wie Afrika oder Südamerika.

1.1 Optimisten oder Schwarzmaler?

All diese Phänomene traten früher auf und sie treten stärker auf, als es die Mehrheitsmeinung in der Klimawissenschaft vor ein oder zwei Jahrzehnten prophezeite.

Der IPCC – das International Panel on Climate Change – ist keine Vereinigung von Schwarzmalern und Untergangspropheten. Seine Prognosen waren zu optimistisch.

Die bittere Wahrheit ist, wie David Wallace-Wells in seinem Buch „Die unbewohnbare Erde“ richtigerweise feststellte, „dass die Optimisten in dem halben Jahrhundert Klimafurcht, das wir schon hinter uns haben, niemals richtig gelegen haben.“[3]

2. Mangel an Wollen – nicht an Wissen

Wenn wir über den Kampf gegen die Klimakrise reden, dann geht es um Verantwortung.

Verantwortung für nachfolgende Generationen. Die heutige Generation ist die erste, die die Krise erfährt und erleidet – und sie ist die letzte, die sie noch begrenzen kann.

Das meint es, die Welt auf den 1,5 °C Pfad zu bringen.

Dieser Auftrag hat in Deutschland mittlerweile Verfassungsrang. In seinem wegweisenden Urteil verlangte das Bundesverfassungsgericht von der Bundesregierung mehr für den Klimaschutz zu tun, weil sonst die Freiheitsrechte künftiger Generationen in verfassungswidriger Weise beschränkt würden.

Klimaschutz sichert Freiheitsrechte – so das Bundesverfassungsgericht.

Es stellt damit all die Christian Lindners, Ulf Poschardts in den Senkel, die glauben Freiheit bestünde darin mit dem SUV ohne Geschwindigkeitsbegrenzung  über die Autobahnen brettern zu dürfen.

Doch dieses Urteils hätte es nicht bedurft. Wir wissen schon ziemlich lange, dass Treibhausgase unser Klima anheizen.

Schon 1997, als das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde, war schon klar, dass die maximale Erwärmung die plus 2 Grad nicht übersteigen darf.

Aber es gibt ein massives Umsetzungsproblem.

Wir sind nicht, wie vor knapp 6 Jahren in Paris von allen Staaten der Welt vereinbart, auf dem Weg, die Klimakrise bei +2 Grad oder gar noch weniger zu stoppen. Im Gegenteil. Wir sind auf dem Weg zu plus 3 Grad.  Seit Paris sind jedes Jahr neue Emissionsrekorde erzielt worden.

Mehr als die Hälfte der durch die menschenverursachte Verbrennung von fossilen Rohstoffen erzeugten Emissionen sind in den letzten drei Jahrzehnten, seit 1990 in die Atmosphäre gelangt. Wider besseres Wissen: Mehr als die Hälfte!

Für 2019 berichtete UNEP von einem Allzeithoch von 38 Gigatonnen fossile CO-2-Emissionen pro Jahr. Nehmen wir die anderen Klimagase noch dazu kommen wir auf ein Allzeithoch von 54.2 Gigatonnen CO2-Äquivalente[4]. Die Erdatmosphäre hat die höchste CO2-Konzentration der letzten 3 Mio. Jahre.

Und, dass die Emissionen im Corona-Jahr 2020 um 7 Prozent zurückgegangen sind, darf uns nicht beruhigen. Denn dieses Corona-Delta würde 2050 gerade mal 0.01 Grad Celsius ausmachen.

Fakt ist: Um unter 2 Grad zu kommen, müssten alle Länder des Abkommens ihre Anstrengungen verdreifachen, so der UNEP-Bericht aus 2020. Und um das 1,5-Grad-Ziel zu schaffen, sogar verfünffachen.

Viele reden vom Klimaschutz – aber die Temperaturen und die Emissionen steigen. Allem Wissen, allen Erfahrungen zum Trotz stiegen die Emissionen der Treibhausgase weltweit weiterhin an.

Woran liegt das?

  • Über die Ursachen der Klimakrise, den Eintrag von Treibhausgasen in der Atmosphäre, gibt es keinen Mangel an Wissen.
  • Auch über die Maßnahmen der Klimakrise zu begegnen mangelt es nicht an Wissen.
  • Die Welt verfügt über das Kapital und die Technologie der Klimakrise zu begegnen.

Auf dem Markt am Kollwitzplatz in Berlin kann man einen Stoffrucksack erwerben. Auf dem steht:

„Machen ist wie wollen – nur krasser.“

Ich fürchte beim Klimaschutz ist es schlimmer.

Es fehlt nicht am Wissen – es fehlt am Wollen.

Es geht dabei weniger um das Wollen des oder der Einzelnen. Das Gerede von Klimaschuld, vom individuellen Verzicht führt eher in die Irre.

Es fehlt am Wollen der gesellschaftlich Mächtigen und politisch Verantwortlichen.

Ihr Argument für Verharren anstatt zu verändern lautet regelmäßig, dass zu viel Klimaschutz zu teuer sei. Das können wir uns nicht leisten.

Doch können wir uns die Klimakrise leisten? Wie teuer ist das denn?

2.1 Kosten des Nichthandelns

Schreitet die Klimakrise fort, drohen mehr Dürren, mehr Überschwemmungen sowie ein beachtlicher Anstieg des Meeresspiegels. Die Internationale Organisation für Migration rechnet dann mit über 150 Mio. Klimaflüchtlingen[5] – pro Jahr. Seit 2008 sind es jetzt schon jährlich über 26 Millionen.[6]

Neben dem menschlichen Leid, den Krisen und Konflikten, die daraus entstehen, kostet das sehr viel Geld. Anpassungsmaßnahmen und Katastrophenbewältigung werden Milliarden kosten.

Der bereits erwähnte frühere Chefökonom bei der Weltbank Sir Nicholas Stern hat berechnet, dass uns ein Fortschreiten der Klimakrise zwischen 5 und 20 % des weltweiten GDPs kosten kann.[7]

Lobbyisten des Verharrens, etwa der Friedrich Merz, betonen gerne, Klimaschutz müsse „bezahlbar“ sein.

Sie schweigen von den Kosten einer fortschreitenden Klimakrise. Ich kenne kein Klimaschutzprogramm, das bis zu einem Fünftel des Wohlstandes kosten würde – im Gegenteil.

Die Begrenzung auf 1,5 Grad ist ambitioniert. Aber sie ist allemal günstiger als das Nichtstun.

Das sehen inzwischen auch Teile der Finanzindustrie so.

Institutionelle Anleger wie die Allianz und sogar Blackrock, 9 Billionen US-Dollar schwer, wollen raus aus der Kohle. Nachdem Blackrock in Davos offiziell verkündet hat, die zukünftigen großen Investitionsströme nur noch in Projekte mit Nachhaltigkeitszielen zu leiten, hat Friedrich Merz übrigens bei ihnen direkt gekündigt.

Wohl nicht wegen des Klimaschutzes, sondern weil er CDU-Vorsitzender werden wollte. Das Ende ist bekannt.

2.2 Wette gegen Paris

Dennoch müssen wir uns die Dimension der notwendigen Veränderung vor Augen führen. Wenn wir das Klimaabkommen von Paris ernst nehmen, müssen vier Fünftel der heute bekannten Vorräte an Öl, Kohle und Gas unter der Erde bleiben.

Ökonomisch sind Öl, Gas und Kohle dann ein Riesen Haufen toten Kapitals. Allein die an Börsen gelisteten Unternehmen haben 7 Billionen US $ in Fossile Energien versenkt.

Platzt diese Carbon Bubble, werden Milliarden Abschreibungen bei Banken und Anlegern fällig.

Über dieses Finanzrisiko wird seit ungefähr 10 Jahren intensiv gesprochen. Seit 8 Jahren werden die entsprechenden Risiken weltweit gesichtet und transparent aufbereitet.[8]

Wie kommt es, dass die angesprochenen Gas- Öl- und Kohlekonzerne trotz des Wissens über die Carbon Bubble noch nicht wirklich an den Märkten verloren haben – zumindest nicht aus diesen Gründen? Exxon etwa plante bisher in den nächsten Jahren seine Öl- und Gasförderung um 25 % zu steigern.

Auf den globalen Finanzmärkten läuft eine Wette gegen das Paris-Abkommen.

Viele Investoren wissen sehr genau, welche gravierenden Änderungen die Einhaltung der Versprechen aus Paris hätten. Deshalb sind viele langfristige Anleger vorsichtig geworden.

Die Investoren in die fossile Industrie glauben aus dem gleichen Grund nicht an die Umsetzung des Klimaabkommens. Sie denken, dass es die Politik nicht im Kreuz hat, das wirklich umzusetzen.

Und bisher gibt es für sie auch nicht genug Gründe, das Gegenteil zu glauben.

Sie können sich dabei auf den Kronzeugen Deutschland berufen.

3. Deutschland und das globale Klima

Deutschland war einmal – da schließe ich Helmut Kohl und Klaus Töpfer und Gerhard Schröder und Rot-Grün mit ein – Vorreiter im Klimaschutz.

In der Tat wurden die Treibhausgase in Deutschland klar gesenkt. Dank effizienteren Kraftwerken, mit der De-Industrialisierung Ostdeutschlands, durch das Deponieverbot von 2005, durch den Ausbau Erneuerbarer Energien wurden die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis zum Anfang dieses Jahrhunderts um gut ein Viertel gesenkt.

Deutschland hat mehr getan als andere. Das war gut so. Aber das war auch nötig.

Deutschland muss aber weiter hin mehr tun. Denn noch immer liegen seine Pro-Kopf-Emissionen mit ca. 11 t im Jahr ein Drittel höher als der – nicht klimagerechte – Durchschnitt der Europäischen Union. [9]

Doch genau das passiert nicht.

Fast alle Einsparungen im Stromsektor wurden aufgefressen von steigenden Emissionen in anderen Sektoren. Der Verkehrssektor etwa ist der einzige Sektor, der heute mehr CO2-Emissionen als 1990 produziert[10].

Alle zwei Jahre erhebt das Umweltbundesamt eine Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen. Die jüngste hatte für Umweltministerin Schulze und das Kabinett der Angela Merkel eine vernichtende Botschaft:

  • 70 % der Befragten halten Klimaschutz für eine zentrale politische Priorität
  • 3 % der Befragten, finden, die Bundesregierung tue „genug für den Klimaschutz“.

Die Kanzlerin hat das mal mit ihren eigenen Worten so zusammengefasst: bisher gab es beim Klimaschutz nur „Pillepalle“.

Und ihr Fazit für die eigenen 16 Jahre Kanzlerschaft?

„Was wir bisher getan haben ist schlichtweg nicht genug.“[11]

Der Moment der bitteren aber ehrlichen Bilanz war das 20 jährigen Jubiläum des deutschen Nachhaltigkeitsrats und sie zog sie am 8. Juni in Anwesenheit von John Kerry, dem US-Sondergesandten für Klimaschutz

Ja, die große Koalition hat den Klimaschutz wo es geht verhindert oder mindestens ausgebremst. Das gilt für den Emissionshandel wie für den Ausbau Erneuerbarer Energien.

Und es brauchte erst das Bundesverfassungsgericht, dass diese Bundesregierung ihre eigenen Ziele endlich nachbesserte.

4. Erfolgsgeschichte Energiewende

Das wir überhaupt die Instrumente für den Kampf gegen die Klimakrise in den Händen halten, ist ein technologischer Erfolg, der seinen Ursprung nicht zuletzt in hier in Deutschland hat.

In Deutschland gab es vor über 30 Jahren eine Reihe von Bastlern und Tüftlern, die sich um Alternative Energieerzeugung gekümmert haben.

In der ersten rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen – Anfang der 90er  Jahre – haben wir einem solchen Bastler – er heißt Aloys Wobben – einen Zuschuss gegeben, damit er in seiner Garage Windräder zusammenschrauben konnte.

Dieser Aloys Wobben gründete dann Enercon – einen Windkraftkonzern, der lange Jahre einer der größten industriellen Arbeitgeber in Norddeutschland und in Sachsen-Anhalt war.

Das war der Beginn, der die deutsche Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte machte.

Eine Erfolgsgeschichte nicht nur für Deutschland – sondern für die Welt.

Mit dem Beginn der rot-grünen Bundesregierung 1998 begann der Umbau der Energieerzeugung in Deutschland:

Raus aus Atom – rein in die Erneuerbaren war die Devise.

Wir könnten auch sagen:

Weg mit Konzernenergie – her mit Bürgerenergie

Denn während die Energiekonzerne – kaum war ihre Unterschrift unter den Atomkonsens trocken, für Laufzeitverlängerung und gegen Erneuerbare lobbyierten, machten sich Bürgerinnen und Bürger in Energiegenossenschaften, im Mittelstand auf den Weg der Energiewende.

Milliarden wurden investiert.

Die Grundlage hatte das rot-grüne Erneuerbare Energien Gesetz geschaffen. Es waren am Anfang Bauern, Genossenschaften und Bürgerfonds, die Jahr für Jahr bis zu 20 Milliarden in Erneuerbare Energien investiert haben. Die gut 50% erneuerbarer Strom in Deutschland sind noch weitgehend konzernfrei[12].

Und es ging viel schneller als geplant. Sie war erfolgreicher, als selbst ihre Protagonisten gedacht haben. Ich etwa.

Als ich als verantwortlicher Minister das EEG im Jahr 2000 auf den Weg gebracht und im Jahr 2004 novelliert habe, stand im Gesetz, dass wir 2020 genau 20 % Anteil Erneuerbaren Strom haben wollen. Dafür wurde ich verlacht und verhöhnt, da der Anteil technisch nie über 8% liegen könne.

Dieses Ziel wurde schon 2012 übertroffen. Auch so kann man sich irren.

Und heute sind wir bei knapp 50% der deutschen Stromversorgung, die erneuerbar erzeugt werden.[13]

Wichtiger war etwas anderes. Die degressive Einspeisevergütung hat die Kosten für Wind- und Sonnenenergie um gut 90 % reduziert. Erneuerbare wurden so wettbewerbsfähig.

Vor 20 Jahren gab es in Deutschland für eine Kilowattstunde PV-Strom noch 50 Cent – jetzt aber wurde in Katar ein 25 Jahres-Vertrag im Rahmen einer Ausschreibung vergeben – für 1,47 Cent pro KWh.[14]

Deutschland hat die Erneuerbaren weltweit wettbewerbsfähig gemacht.

John Kerry beschreibt das so:

„Die Wahrheit ist, dass die globale Energiewende jeden Tag an Fahrt gewinnt, und das nicht zuletzt dank der jahrzehntelangen Bemühungen Deutschlands, Vorreiter beim Einsatz sauberer Technologien zu sein. Deutschlands bahnbrechendes EEG-Gesetz zu Beginn des 21. Jahrhunderts löste einen Boom bei Solar- und Windenergie für die nächsten zwei Jahrzehnte aus, und indem es einen Premiumpreis für erneuerbare Energien garantierte, schuf Deutschland einen frühen Markt für aufstrebende Technologien, der inzwischen auf der ganzen Welt floriert.“[15]

Jahr für Jahr gehen weltweit etwas mehr erneuerbare Kapazitäten ans Netz als fossile und fissile.

In der Corona-Krise, so hat die Internationale Energieagentur vorgerechnet, verloren Kohl und Öl überdurchschnittlich, auch Gas und Atom schrumpften. Nur die Erneuerbaren wuchsen trotz Rezession.

Diese Erfolgsgeschichte der Bürgerenergie will zumindest die Bundesregierung nicht wahrhaben. 20 Jahre EEG aber waren von vielen Widerstände begleitet.

Bis 2005 haben CDU und CSU das Erneuerbare-Energien-Gesetz vehement bekämpft. heute sind angeblich alle Parteien dafür. Aber seit 2005 haben alle Koalitionen – ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb versucht, die Erneuerbaren auszubremsen und abzuwürgen.

Dafür wurde die Sonnensteuer erfunden und ein Ausbaudeckel und ein Freiflächenverbot verhängt. Das hat überall 100 000 Arbeitsplätze in der Solar- und Zehntausende Jobs in der Windindustrie gekostet.

Faktisch ist der Windausbau an Land zum Erliegen gekommen[16].

Während durch die Erneuerbaren die volkswirtschaftlichen Kosten für Strom in zehn Jahren um 70 Mrd. € gesunken sind[17], wird der Strom für die Haushalte und Selbstständigen teurer. Weil die EEG-Umlage auch dafür missbraucht wird, Schlachthöfe zu subventionieren, müssen andere mehr zahlen.

Lange hielt zudem billiger Braunkohlestrom aus abgeschriebenen Altanlagen die Preise an der Börse niedrig. Aber jetzt, wo der Emissionshandel endlich weitgehend so funktioniert, wie er soll, sieht der Braunkohlestrom kein Land mehr.

Heute wird der Betrieb alter, abgeschriebener Kohlekraftwerke immer unrentabler – so unrentabel, dass die RWE die Bundesregierung darauf gedrängt hat, den Konsens zum Kohleausstieg endlich umzusetzen. Damit sie ihre Kraftwerke endlich vom Netz kriegen.

Aber es trifft nicht nur die alten Anlagen. So gingen in der ersten Stilllegungsausschreibung das Kohlekraftwerke wie Moorburg nach 5 Jahren Betrieb vom Netz. Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz hatte bei der Einweihung noch „von Jahrzehnten Betriebsdauer“ gesprochen – und überweist jetzt als Finanzminister die Stilllegeprämie.

Die gleiche Rede hielt übrigens Angela Merkel 2008 in Hamm – ebenfalls in der ersten Ausschreibung stillgelegt. Zwischen Grundstein- und Stilllegung vergingen keine 12 Jahre. In dieser Zeit wurden ca. 3 Mrd. Euro in den Sand gesetzt. Und mit 100 Millionen Euro Steuergeldern wurde die Abschaltung subventioniert.[18]

Verkehrte Welt. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Abwehrschlachten von Industrie und Union, als wir den Europäischen Emissionshandel 2003 eingeführt und 2005 gestartet haben. Der Vorwurf der „Deindustrialisierung Deutschlands“ war noch der geringste, der mir entgegengehalten wurde.

Heute zeigt sich:

Würden wir den Emissionshandel wirken lassen, käme der Kohleausstieg vor 2030.

Grundvoraussetzung um Deutschland wieder auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, wird es sein, die CDU wie SPD immer wieder blockierten Instrumente EEG und Emissionshandel wieder zur Wirkung zu bringen.

Dem schnellen Ausbau der Erneuerbaren kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

5. Elektrifizieren mit Erneuerbaren

Die Agora Energiewende[19] hat gemeinsam mit der Stiftung Klimaneutralität einen sehr detaillierten Plan vorgelegt, wie es Deutschland schaffen kann, bis 2045 klimaneutral zu werden.

Und dabei wirtschaftlich davon profitieren wird.

Der Grundgedanke dieses Plans besteht darin, dass aus der bisher erfolgten Stromwende eine wirkliche Energiewende wird. Für müssen unsere gesamte Energieerzeugung für Strom, Wärme, Verkehr, Industrie dekarbonisieren.

Das führt zu einem Paradox:

Für diese Energiewende brauchen wir mehr Strom.

Betrachten wir die bisherigen Bereiche, in denen es statt Treibhausgaseinsparungen Steigerungen gab, in denen mögliche Senkungen nicht passierten, dann wird klar, wie groß die Herausforderung wird.

Nehmen wir das Ziel, dass Europa im Jahre 2030 55 % seiner Treibhausgase reduziert haben will. Das Ziel wird nur erreicht, wenn der Großverschmutzer Deutschland mindestens 65 %bis dahin reduziert.

Das steht nun im neuen Klimaschutzgesetz – doch wofür sich die Große Koalition als Antwort auf das Bundesverfassungsgericht feiert, war in Wahrheit nur die lange verweigerte Umsetzung europäischer Lastenteilung auf der Basis geteilter gemeinsamer Verantwortung.

Für Deutschland heißt dies, binnen 10 Jahren ein Viertel der Treibhausgase von 1990 einzusparen.

Für die ersten 40 Prozentpunkte hat Deutschland gut 30 Jahre gebraucht und hat es am Ende nur Dank Corona geschafft.[20]

Es muss also gewaltige Veränderungen geben. Hierbei müssen unterschiedliche Instrumente zusammenwirken – vom Ordnungsrecht bis zum Co2-Preis. Das Verbot nach 2030 keine Fahrzeuge mit fossilen Verbrennungsmotoren ehr zuzulassen, gehört hier ebenso dazu, wie der Verzicht in fossile Infrastruktur zu investieren. Letztes fordert zwar die Internationale Energieagentur[21] – es wird aber von der Deutschen Bundesregierung verweigert.[22]

Doch im Ergebnis bedeuten diese Veränderungen ein massives Ansteigen der Nachfrage nach Strom.

  • Autos wie Busse und Lkws werden künftig batterieelektrisch fahren
  • Elektrische Wärmepumpen ersetzen Öl- und Gasheizungen
  • Elektrische Anwendungen besorgen hochkalorische Prozesse in der Chemieindustrie
  • Wasserstoff statt Kohlenstoff in der Stahlindustrie muss mit Hilfe von Strom erzeugt werden
  • Mehr Strom brauchen wir für den Wasserstoff im Flug- und Schiffsverkehr

Die Studie von Agora Energiewende rechnet aus diesem Grund mit einem um 50 % gesteigerten Strombedarf zur Erreichung der Klimaziele.

Dieser zusätzliche Strombedarf muss erneuerbar erzeugt werden – und gleichzeitig muss die Hälfte noch fossil erzeugten Stroms ebenfalls durch Erneuerbare Energien ersetzt werden.

Deutschlands hat mit dem EEG in 20 Jahren die Hälfte seiner Stromversorgung auf erneuerbar umgestellt.

Nun müssen wir in zehn bis 15 Jahren doppelt so viel und Wind- und Solarstrom ans Netz bringen wie seit Bestehen des EEG.

Dies wird nur mit Erneuerbaren Energie gelingen. Wer wie Bill Gates meint, das ginge mit Atomkraft irrt, nicht nur wegen des Atommülls. Allein die Bauzeiten für AKWs liegen mit bis zu drei Jahrzehnten für einen Reaktor in Finnland jenseits des zeitlichen Horizonts. Atomkraft wäre nicht nur zu langsam, zu giftig, sondern ist vor allem zu teuer.

Atomkraft ist nicht wettbewerbsfähig.

Kosten für die Kilowattstunde Atomstrom von gut 20 Cent stehen in keinem Verhältnis zu den knapp 4 Cent für Sonnen- und Windstrom in Europa – von den 1,47 Cent in Qatar ganz zu schweigen. Worauf auch der neue CEO des – bald ehemaligen – Atomkonzerns RWE, Markus Krebber, hinweist:

„Aber ganz unabhängig von RWE: Der Strom aus neuen Atomkraftwerken ist sehr teuer. Ein klimaschonendes Energiesystem mit Wind- und Solarenergie und einem Backup durch grünen Wasserstoff aufzubauen ist viel günstiger.“[23]

Die Grundlage für die Preisentwicklung wurde vor 20 Jahren mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz in Deutschland gelegt.

Der Markt hätte Solar- und Windkraft niemals wettbewerbsfähig werden lassen. Das gelang erst durch eine degressive Einspeisevergütung durch den gesetzlich vorgegebenen Einspeisevorrang.

Es ist eine offene Frage, ob es gelingt, Deutschland, Europa, die Welt auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen.

Noch steigen die Treibhausgasemissionen. Doch mit dem Green Deal in Europa, mit den neuen Klimaschutzanstrengungen der USA unter Biden, mit dem neuen Ziel Chinas bis 2060 klimaneutral zu werden, wachsen die Chancen.

Wenn das Wollen da ist, kommen die Probleme des Machens.

Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren für Wind- und Sonnenstrom. Wir brauchen ein europäisches Netz. Wir müssen entscheiden, wie viel Strom und wie viel grünen Wasserstoff wir importieren wollen.

Aber dass wir die globale Energiewende hin zu mehr erneuerbaren Strom auch bezahlen können, dafür wurde mit dem deutschen EEG die Grundlage gelegt.


[1]              https://www.youtube.com/watch?v=o0R31t_3pKw

[2]              https://www.blaetter.de/ausgabe/2006/dezember/der-groesste-fall-von-marktversagen-den-die-welt-je-gesehen-hat

[3]              David Wallace-Wells: Die unbewohnbare Erde – Leben nach der Erderwärmung, München 2019

[4]              https://wedocs.unep.org/xmlui/bitstream/handle/20.500.11822/34426/EGR20.pdf Seite 14

[5]              Der IPCC rechnet mit 280 Millionen, die allein aus den Küstenregionen flüchten müssen: https://blogs.ei.columbia.edu/2019/09/25/climate-ipcc-sea-level-warning/

[6]              https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/aktuelles/news/uebersicht/detail/artikel/klimaflucht-mehr-als-26-millionen-menschen-jaehrlich-vertrieben/

[7]              https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/http://www.hm-treasury.gov.uk/media/A/9/stern_shortsummary_german.pdf

[8]              https://carbontracker.org/

[9]              https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-der-europaeischen-union#textpart-1

[10]            https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/2_abb_entw-energiebed-thg-emi_2019-03-19.png 

[11]            https://twitter.com/RNE_DE/status/1402202719021064193

[12]            42% sind private Eigentümer und Landwirte – in 2017… da dürfte sich aber einiges ändern aktuell:
Erneuerbare Energien: Eigentumsverhältnis bei Anlagen nach installierter Leistung in Deutschland 2017 | Statista (dbtg.de)

[13]            https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/erneuerbare-energien.html

[14]            https://www.pv-magazine.de/2020/01/23/katars-800-megawatt-ausschreibung-vergibt-zuschlag-fuer-knapp-142-cent-kilowattstunde/

[15]            “The truth is the global energy transition is gaining momentum every single day, and thanks in no small measure to Germany’s sustained decades-long effort to pioneer the use of clean technologies. Germany’s landmark EEG law at the turn of the 21st century set off a boom in solar and wind power for the next two decades, and by guaranteeing a premium price for renewable energy, Germany created an early market for emerging technologies that has gone on to flourish all around the world.” Remarks at the 7th Berlin Energy Transition Dialogue – United States Department of State

[16]            https://www.windbranche.de/windenergie-ausbau/deutschland

[17]            Studie der Universität FAU Erlangen Nürnberg https://www.ews-schoenau.de/export/sites/ews/ews/presse/.files/191007strompreisstudie-fau-2019.pdf

[18]            https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/kraftwerk-westfalen-milliardengrab-hamm-stilllegung-block-e-d-salzsaure-rwe-mitarbeiter-zr-90117521.html

[19]            https://www.agora-energiewende.de/presse/neuigkeiten-archiv/mit-50-massnahmen-zum-klimaziel/

[20]             „Doch ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt.“ UBA-Präsident Dirk Messner https://www.bmu.de/pressemitteilung/treibhausgasemissionen-sinken-2020-um-87-prozent/  

[21]             https://iea.blob.core.windows.net/assets/0716bb9a-6138-4918-8023-cb24caa47794/NetZeroby2050-ARoadmapfortheGlobalEnergySector.pdf

[22]             https://twitter.com/JTrittin/status/1402888342174322689?s=20

[23]             https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/rwe-chef-krebber-wind-und-sonne-reichen-nicht-17407016.html?premium

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