Fossile Anhängigkeiten beenden
Liebe Ricarda,
Liebe Anne,
lieber Hanso,
Freundinnen und Freunde,
der 24. Februar markiert mehr als eine Zeitenwende.
Es ist ein Zeitenbruch.
Putins Krieg räumt nicht nur mit der Illusion vom „Ende der Geschichte“ auf, die viele nach 1990 hatten.
Putins Krieg räumt auch die Nachkriegsordnung beiseite, die 1975 von der damaligen Sowjetunion unter Leonid Breshnew entscheidend mitgestaltet wurde.
80 Jahre nach Deutschlands Angriffskrieg auf seine Nachbarn ist der Eroberungskrieg nach Europa zurück gekehrt.
Dem müssen wir uns stellen. Das ist unbequem. Denn auch unserer Überzeugungen waren nicht belastbar genug.
Wir haben Putin nie für einen „lupenreinen Demokraten“ gehalten. Wir kritisierten, dass er über den Ausnahmezustand und die Zerbombung Tschetschenien an die Macht gekommen ist – zu Zeiten also Gerhard Schröder wie Angela Merkel noch an „Handel durch Wandel“.
Für uns war Russlandpolitik immer schon Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, mit Memorial. Es war Kampf um Demokratie mit Heldinnen wie Anna Politikowskaja, die ihren aufrechten Gang mit dem Leben bezahlte.
Das wollten viele nicht wissen. Das galt lange als grüne Marotte. War es nicht.
Putins Autokratie nach innen und die Aggression nach außen gehören zusammen.
Aber auch wir haben Putin unterschätzt. Wir haben ihm unsere Rationalität unterstellt. Doch seine Rationalität kennt weder Verträge noch das Abwägen der ökonomischen und politischen Vor- und Nachteile von Politik.
Putins Rationalität ist die seiner persönlichen Macht gestützt auf die Gewalt des Militärs und erleichtert von der Angst des Gegenüber.
Deshalb hat Deutschlands Abschreckung mit politischen und ökonomischen Sanktionen nicht funktioniert.
Deshalb braucht es nach dem Zeitenbruch einer anderen Politik.
Ja, dafür liefern wir Waffen an die angegriffene Ukraine.
Dafür nutzen wir alle Kanäle um die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand zu erheben.
Dafür koppeln wir Russland von Europas Märkten ab. Russland wird ökonomisch zurück geschickt in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Dafür stellen wir uns der Verantwortung für die vor diesem Krieg Geflohenen und nehmen sie hier auf.
Dafür nehmen wir 100 Mrd. in die Hand, um die Waffensysteme anzuschaffen, die im Koalitionsvertrag stehen – aber wir finanzieren sie ohne Kürzungen zu Lasten von Investitionen in Klima, Bildung und Soziales über ein Sondervermögen.
Aber wir gehen auch dem Übel an die Wurzel – unserer fossilen Importabhängigkeit.
Den Energie- und Klimafonds stocken wir von 100 auf 200 Mrd. auf – wir verbieten ab 2024 den Einbau von Gasheizungen.
Dieser Tage ist viel von neuem Denken die Rede. Bei Merz und Söder wäre schon mit Denken viel geholfen.
- Sie wollen mit der Steigerung des Schweinefleischexports die Weizenkrise im Nahen Osten bekämpfen.
- Sie wollen zurück zu Kohle und Atom.
Doch kann man mit Brennstäben aus Russland Wohnungen heizen? Kann man ein Land mit Atomkraftwerken militärisch verteidigen? Oder wird das nicht gerade in Tschernobyl und Saporischschja widerlegt?
Wie viele Megawatt hätten wir zusätzlich, wenn in den vergangenen zehn Jahren in Bayern der Ausbau der Windenergie nicht durch 10 h-Regeln blockiert worden wäre? 3000? 5000?
Sicherheit ist Energiesicherheit. Energiesicherheit gibt es nur mit mehr Erneuerbaren, mit mehr Klimaschutz.
So geht neues Denken.
Wir müssen schneller – nicht langsamer – raus aus unserer fossilen Abhängigkeit. Wir können den Bezug von Kohle aus Russland sofort stoppen. Wir können die Ölpipeline nach Schwedt in diesem Frühjahr zusperren.
Das wird unbequem und das wird teuer. Deshalb ist es gut,
- dass es jetzt ein Energiegeld gibt,
- dass die Grundsicherungs einen Aufschlag gibt,
- dass 90 Tage für 9 Euro mit Bund und Bahn gefahren werden kann
- Und selbst an die Autofahrer wird bei der Mineralölsteuer gedacht.
Nur, dann muss das Öl- und Kohleembargo jetzt kommen.
Der Weg aus der fossilen Abhängigkeit ist wie jeder Drogenentzug schmerzhaft. Dazu gehört, dass wir beim Gas Schurkendiversifizierung betreiben müssen. Statt Russland für zehn Jahre Qatar oder der Iran. Oder Frackinggas.
Und dafür sind Exportterminals entscheidender als im Jadebusen schwimmende Importterminals.
Das ist schmerzhaft.
Aber wir haben es in der Hand, dass es nicht bei den Ersatzdrogen bleibt. Dass wir rausgehen aus Öl, Kohle und Gas.
Wir müssen souverän werden.
Wer den Putins die Machtbasis entziehen will, darf nicht länger von ihren Rohstoffen abhängig sein.
Das muss unser Antwort sein auf die Rückkehr des Krieges nach Europa .
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