Israel und Palästina im 75sten Jahr und die Situation in den palästinensischen Gebieten
Zwei Staaten und das Ringen um Frieden, Demokratie und Sicherheit
Vom 13. bis zum 17. Mai 2023 reisten Agnieszka Brugger, Vizevorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion, und Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher, zu politischen Gesprächen nach Israel und in die Westbank. Begleitet wurden sie von Dr. Carsten Wieland, Nahostreferent. Ein geplanter Besuch des Gazastreifens wurde von den israelischen Behörden nicht gestattet.
Zusammenfassung
- Israel ist ein Staat, zu dem die Bundesrepublik Deutschland besondere Beziehungen pflegt und für dessen Sicherheit wir eine Verantwortung haben. Die Schoah bleibt Mahnung. Es ist unsere immerwährende Verpflichtung, entschieden jeder Form von Antisemitismus entgegenzutreten, jüdisches Leben und die Existenz Israels als demokratische Heimstätte für Jüdinnen und Juden zu schützen. Aber auch über die demokratischen Werte beider Staaten besteht eine enge Verbindung und daher werden auch hierzulande die Proteste der lebendigen Zivilgesellschaft intensiv verfolgt. Mit dem Existenzrecht Israels wird nicht nur die Sicherheit Israel verteidigt, mit dem Existenzrecht werden auch Demokratie und Rechtstaatlichkeit geschützt.
- Viel zu häufig beschäftigen wir uns mit Israel und der Region nur dann, wenn die Gewalt in größerem Ausmaß eskaliert. Dabei ist die seit über 50 Jahre fortwährende Besetzung palästinensischer Gebiete für die Sicherheit Israels eine anhaltende Herausforderung. Diese zugunsten einer Zwei-Staaten-Lösung zu überwinden, muss Ziel deutscher Nahost-Politik bleiben.
- Rund um den 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel stand die Reise unter den Eindrücken der Proteste gegen die geplante Justizreform. Die treibenden Kräfte der Justizreform in der israelischen Regierung sind die nationalreligösen, rechtsextremen Parteien. Sie begründen die „verfassungspolitische Revolution“ explizit damit, Hindernisse bei einer Ausweitung der Annexion besetzter Gebiete beseitigen zu wollen, dies wird auch im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht.
- Gegen die Aufhebung der Gewaltenteilung durch eine einfache Mehrheit des Parlaments sind in den vergangenen Wochen Hunderttausende unter der israelischen Fahne auf die Straße gegangen. Die friedlichen Proteste, die auch vorerst eine Rücknahme des Gesetzes erreicht haben, sind dabei Ausdruck einer starken und lebendigen Demokratie. Es gab unterschiedliche Aussagen dazu, inwiefern in diesen Protesten das offen erklärte Annexionsziel komplett ausgeklammert wurde. Einige Gesprächspartner*innen haben die Offenheit der Proteste für alle Gruppen betont und die Hoffnung geäußert, dass dies über den Aspekt der Attacke auf das Justizsystem zu einer überfälligen größeren öffentlichen Debatte um die Identität des Staates Israels führen könnte. Die meisten waren allerdings eher der Auffassung, dass Bezüge zur Situation in den besetzten Gebieten zwar zugelassen, aber nicht wirklich gern gesehen waren, da das Ziel eher darin bestand, die Breite der Protestbewegung insbesondere in konservativere Kreise wie auch den Bereich von Militär und Geheimdiensten hinein zu erhalten.
- Die Regierung konzentrierte sich zum Zeitpunkt unseres Besuches prioritär darauf, ihren Haushalt zu verabschieden. Die dabei geforderten Finanztransfers zugunsten der Ultraorthodoxen und der Siedler führen zu massiven Konflikten in der Koalition. Die Protestbewegung befürchtet, dass die Koalition nach dem Haushalt früher oder später die ursprünglich vorgesehenen Maßnahmen zur Schwächung der Justiz wieder aufnehmen wird, wie es auch ein paar Wochen später passierte. Inzwischen ist das Grundgesetz, das es dem Obersten Gerichtshof verbieten soll, die „Angemessenheit“ von Gesetzen zu prüfen – ihre Vereinbarkeit mit der Unabhängigkeitserklärung Israels -, von der rechten Mehrheit in der Knesset verabschiedet worden, was wieder zu sehr großen Protesten im Land führt.
- In Israel und Palästina nehmen die Spannungen und die Gewalt massiv zu. Auch zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel wurden hunderte Raketen aus dem Gaza – aber auch aus dem Libanon – auf Israel abgefeuert. Dem vorausgegangen war eine militärische Operation der israelischen Sicherheitskräfte, bei der drei mutmaßliche Führer des Islamischen Dschihad sowie ihre Familien getötet wurden.
- In der Westbank hat sich die Zahl der Waffen sprunghaft erhöht und es bilden sich neue militante, jüngere, radikalere und weniger kontrollierbare Gruppen – losgelöst von Fatah oder Das erhöht das Risiko zum Ausbruch von Gewalt und wirft zugleich die Frage auf, wie und mit wem angesichts des komplizierten Machtgefüges eine echte und belastbare Einigung, sollte Israel zu dieser bereit sein, erzielt werden kann. Gleichzeitig gibt es zivilgesellschaftlich organisierte junge Gruppen, die auch als Reaktion auf diese Entwicklung ihre politischen Forderungen nach mehr Rechten und Freiheit und ihre Kritik an der Siedlungspolitik, auch in kritischer Abgrenzung zu eigenen palästinensischen Führungen, organisieren und artikulieren.
- Israel reagiert auf die Zunahme von Waffen und Gewalt seinerseits mit verstärkten militärisch ausgerichteten Razzien in Wohngebieten der Westbank – aber auch gezielten extralegalen Tötungen in Gaza. Die Zahl der bei Razzien getöteten Personen ist seit dem Regierungsantritt der neuen Koalition um 70 % gestiegen.
- Während sich Siedlungen und Outposts ausdehnen, hat die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser wie gegen Sicherheitskräfte zugenommen. Sie bleibt weitgehend straffrei. Zentrale Befugnisse zur Verwaltung in der Westbank sind von der Armee Ministern aus der Siedlerbewegung übertragen worden. Der Übergang von der de-facto zur de-jure Annexion beschleunigt sich so.
- Die Legitimität der Palästinensischen Autonomiebehörde ist in den Augen der Bevölkerung massiv geschwächt. Bei den aktuellen Wahlen an den Universitäten der Westbank lag die Hamas vor der Fatah und auch die PFLP schnitt gut ab. Zwar fordern sowohl Israel wie die PA inzwischen Neuwahlen, diese scheitern jedoch am ungeklärten Status Ostjerusalems. Wahlen hätten das Potential die Palästinensische Autonomiebehörden zu erneuern und junge Menschen politisch einzubinden. Hier müssen wir beide Seiten in die Pflicht nehmen, die sich jeweils gegenseitig die Schuld für das Ausbleiben der Wahlen geben.
- Bei Opposition wie Regierung in Israel ist der Sicherheitsdiskurs dominierend. Die eigentliche Gefahr für die Sicherheit Israels wird im Iran gesehen, der hinter Hamas, Hizbollah, Islamischer Djihad und neuen Gruppen wie Lion‘s Dent in der Westbank stehe.
- Regional hat sich dagegen die strategische Situation Israels mit der Entspannung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wie den Emiraten nicht verbessert. Die erhofften Sicherheitsgewinne aus den Abrahams-Akkord fallen bescheidener aus als erhofft.
- Gleichzeitig wachsen die Spannungen im Kernland Israel zwischen der Mehrheit und der arabischen Minderheit etwa durch rassistische Anfeindungen oder die Zunahme von tödlicher Gewalt in den entsprechenden Vierteln.
- Auf die Frage nach der zukünftigen Perspektive und Ideen für eine Lösung der komplizierten Situation haben zahlreiche Gesprächspartner*innen – teils mit mehr Überzeugung als sie früher zu beobachten war – nach wie vor auf die Zwei-Staaten-Lösung verwiesen. Neuere Ansätze und Ideen stießen eher auf Skepsis.
Besuch in Yad Vashem
Zu Beginn der Reise stand der Besuch in Yad Vashem auf dem Programm. Der Besuch ist und wird nie ein Termin wie jeder andere sein und führt vielen Menschen weltweit Jahr für Jahr die schrecklichen Verbrechen der Shoa vor Augen. Bei dem Besuch haben aber auch die Fragen der Finanzierung und Unterstützung dieser unverzichtbaren Arbeit eine Rolle gespielt.
Israels lebendige Demokratie und die Protestbewegung
Mehrere Gespräche mit Abgeordneten unterschiedlicher Parteien mit großer Herzlichkeit und Freude, aber auch die Führung durch die Knesset, die Herzkammer der israelischen Demokratie sowie die Beobachtung einer lebhaften Debatte rund um den Haushalt, haben noch einmal eindrücklich und auf einer persönlichen Ebene gezeigt, wie viele Werte jenseits der historischen Bande unsere beiden Staaten und ihre Geschichte miteinander zutiefst verbinden.
Der Versuch, sich einen Eindruck von der Protestbewegung und den wöchentlichen Demonstrationen zu verschaffen, scheiterte, da die Proteste wegen Raketenbeschusses aus dem Gaza abgesagt wurden. Das uns dargelegte Bild über den Stand der Auseinandersetzungen wurde erschwert, da zugesagte Termine von Vertretern des Likud abgesagt wurden, andere Vertreter der Regierungskoalition unsere Gesprächswünsche nicht beantworteten. Ob dies die Reaktion auf die Absage des Empfangs der Europäischen Union wegen des Redners Itamar Ben Gvir war, blieb offen. Ein kurzfristig zu Stande gekommener Termin im Außenministerium verdeutlichte dann die Sicht der Regierungskoalition.
Die Vertreter*innen der israelischen Opposition – von den Akteur*innen der Zivilgesellschaft bis hin zu den Abgeordneten im konservativen Spektrum – sparten nicht mit der Kritik an der von der Regierung vorgesehenen Verschiebung der Gewaltenteilung durch die Schwächung der Justiz zugunsten der Exekutive, die die demokratischen Grundfesten des israelischen Staates gefährde. Bezüge zur Besatzungspolitik und der Situation in den palästinensischen Gebieten werden von vielen dabei nicht im Zusammenhang mit den Protesten gesehen und diskutiert, teilweise sogar bewusst ausgeklammert. Es sind uns aber auch andere Einschätzungen begegnet, die auf den vielfältigen Zusammenhang beider Komplexe hingewiesen haben. Gleichzeitig hat die Regierung angesichts der Gewalteskalation wie so oft in solchen Situationen nach der sehr deutlichen Kritik kurzfristig wieder an Zuspruch gewonnen, während die Proteste auch aufgrund der Sicherheitslage nur in eingeschränkter Form stattfinden konnten.
Uns wurde berichtet, dass weite Teile der arabischen Israelis – immerhin fast 20 % der Bevölkerung – dieses eher mit Desinteresse verfolgen und allein als Konflikt unter der jüdischen Bevölkerung ansehen und sich teilweise im Rahmen der Proteste nicht willkommen fühlen würden. Zwar würden sie im Parlament immer dagegen stimmen, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in das Obersten Gericht nicht mehr besonders hoch.
Umgekehrt begründen die Befürworter der Justizreform aus dem nationalreligiösen Lager wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir diese Reform offen damit, Hindernisse auf dem Weg zur Wiederherstellung der Vorherrschaft in der gesamten Westbank beseitigen zu wollen. Ihr Argument: Israelis wären von dieser Reform gar nicht betroffen und müssten daher dagegen nicht demonstrieren.
Die Regierung wiederum war darum bemüht, die Auswirkungen der Reform herunterzuspielen. Es ginge um ein neues Ausbalancieren zwischen den Gewalten. „Auch nach der Justizreform wird Israel noch eine Demokratie sein“ lautete die Botschaft. Im Deutschen Bundestag hatten alle demokratischen Parteien die Verantwortung für die Sicherheit und die demokratischen Verfasstheit Israels und Verständnis bis Unterstützung für den Protest der Zivilgesellschaft und Opposition zum Ausdruck gebracht.
Ob zu einer solchen Reform kommt, bleibt offen. Bis heute halten die Proteste an. Das verabschiedete Gesetz ist vor dem Obersten Gericht beklagt.
Die Regierungskoalition hatte sich zum Zeitpunkt unseres Besuches darauf konzentriert, den Haushalt für die nächsten zwei Jahre zu verabschieden. Wäre dies nicht bis Ende Mai gelungen, hätten Neuwahlen und der Verlust der Mehrheit gedroht.
Offen bleibt die Frage, wie stark Benjamin Netanyahu in dieser Koalition ist. Kritiker verweisen darauf, dass er in wesentlichen Fragen den Rechtsextremen immer nachgegeben hat. Einzelne Oppositionsvertreter beschrieben ihn als bloße Fassade hinter der Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir regieren würden.
Verschlechterung der Situation in den Palästinensischen Gebieten
Die Situation im Gaza konnten wir nicht beobachten, da uns seitens der israelischen Regierung die Passage nicht gestattet wurde.
In den besetzten Gebieten schreitet – auch im Vergleich zu früheren Besuchen von Jürgen Trittin – die faktische Annexion weiter voran. Im Gebiet um Susya, in dem es vor einigen Jahren nur eine geduldete Siedlung ohne Wasseranschluss gab, ist diese heute nicht nur legalisiert, sondern von einer durch das Militär gesicherten Schutzzone umgeben worden. Die Verdrängung der ortsansässigen Palästinenser aus den C-Gebieten (von Israel kontrolliert) in Städte wie Jatta (A-Gebiete, unter Palästinensischer Administration [PA]) hält an.
Allerdings ist die gegen ein deutsches Solarprojekt in Susya verhängte demolition-order auch aufgrund beharrlichen Drucks der deutschen Seite bis heute nicht vollzogen worden. Versorgten vor einigen Jahren die Solarzellen noch die Menschen in Zelten mit Elektrizität, so leben sie heute in Containern und haben W-Lan. Betroffene berichten zugleich von Schikanen und willkürlichen Verhaftungen.
Die Entvölkerung der Innenstadt inklusive wichtiger Märkte in Hebron hat sich fortgesetzt. „Sterile Straßen“, die keine Palästinenser (und auch keine Muslime) betreten dürfen, zwingen diese zu weiten Umwegen und erschweren den Alltag der betroffenen Menschen massiv. Bewohner*innen berichten zudem, dass selbst Krankenwagen nicht durchgelassen werden – mit fatalen Folgen.
Faktisch entstehen so um die Siedlungen entleerte Bereiche, von denen viele perspektivisch von Siedlern bezogen werden, wie es – entgegen eines Gerichtsurteils – mit Teilen des Marktes in Hebron bereit geschehen ist. Auch mit Blick auf das Handeln der Sicherheitskräfte und ihrer Nähe zu den Siedlern ist es für weite Teile der palästinensischen Bevölkerung kaum möglich die Verletzung ihrer Rechte vor Gericht geltend zu machen.
Organisationen der Zivilgesellschaft und auch Amnesty International berichten von einer zunehmend digitalisierten Überwachung der palästinensischen Zivilbevölkerung unter Nutzung der Gesichtserkennung. An den Checkpoints habe diese Technik (Red Wolfe) den direkten Blick in den Ausweis ersetzt und entscheide automatisiert darüber, wer passieren dürfe. Um die dahinterstehenden Datenbanken zu füllen, seien die Soldaten angehalten, mit ihren Handys möglichst viele Gesichter zu erfassen (Blue Wolfe).
Gleichzeitig verschärft sich die Sicherheitslage. Im Gespräch mit uns erläuterte der Vertreter des Norwegian Refugee Council (NRC), dass nach Angaben von UNOCHA und OHCHR, in diesem Jahr bis zum 04. Mai 15 Israelis starben. Es wurden 43 Israelis durch Palästinenser verletzt. Durch Militäreinsätze der IDF starben 94 Palästinenser – eine Steigerung von 82 % gegenüber 2022 – und über 3000 wurden in der Westbank verletzt. Die Zahl der Durchsuchungen und Verhafteten stieg auf 1.279. Sie waren 70 % tödlicher als im Vorjahr. Es gab 257 Attacken von Siedlern gegen Palästinenser mit 95 Verletzten. Die Gewalt nimmt auf beiden Seiten zu.
Internationale Hilfsorganisationen berichten, dass sich in vielen Flüchtlingslagern, aber auch in Städten der Westbank, Jugendgruppen mit automatischen Waffen gebildet hätten. Die PA sei hiergegen eher machtlos und auch die Hamas habe Gruppen wie die Lion‘s Dent nicht unter Kontrolle, die aufgrund ihrer Radikalität Zulauf erhalten.
Die PA hat in vielen Gebieten ihre Autorität verloren. Bei den Wahlen an den Universitäten gewann die Hamas, gefolgt von der PLO und der PFLP. Im Gaza findet eine stille Kooperation zwischen Hamas und Israel statt, die mindestens belastbare Waffenstillstände vereinbaren kann. Die Hamas strebt eine ähnliche Rolle in der Westbank an.
Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, wenn Israel beklagt, dass es auf palästinensischer Seite keinen repräsentativen Ansprechpartner gibt.
Eine Wende könnten nur Wahlen bringen – die ersten seit 2006. Europa sollte stärkeren Druck auf beide Seiten ausüben, endlich Wahlen durchzuführen und diese wechselseitige Blockade zu überwinden. Letztendlich bringen wohl nur Wahlen das Potenzial mit, die Palästinensische Autonomiebehörde zu erneuern und junge Menschen politisch einzubinden.
Die Situation der Zivilgesellschaft in der Westbank bleibt kritisch. Zum einen sind sie vielfach Maßnahmen der israelischen Behörden ausgesetzt und mit nicht belegten Terrorismusvorwürfen konfrontiert. Zum anderen nimmt auch der Druck der PA auf sie zu. Wer es ernst meint mit Wahlen, darf Versammlungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit nicht einschränken. Auch deshalb muss die Unterstützung der palästinensischen Zivilgesellschaft etwa durch die deutschen Stiftungen fortgesetzt werden.
Spannungen im Nahen Osten
Durch die Abrahams-Accords hat sich die strategische Lage Israels verbessert. Israel hat nun jenseits der beiden Friedensstaaten Jordanien und Ägypten mit den VAE und Bahrein Verbündete am Golf – plus Sudan und Marokko. Gleichzeitig bemüht es sich, trotz des Ukraine-Krieges um stabile Beziehungen mit Russland. Mit Russland wie mit der Türkei versucht es, Bedrohungen aus Syrien zu mindern.
Seine Bemühungen um eine vollständige Isolierung Irans haben jedoch mit der Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran einen Rückschlag erfahren. Es ist zurzeit nicht abzusehen, dass Saudi-Arabien sich dem Bündnis um die Abraham-Accords anschließt.
Iran wird als die Kraft hinter allen anderen Bedrohungen der Sicherheit Israels gesehen. Dies gilt nicht nur für das Atomprogramm sowie die Entwicklung von Trägersystemen. Hier ist für Israel die rote Linie die Überschreitung einer Anreicherung um mehr als 90 % und die Arbeit an nuklearen Gefechtsköpfen.
Dies gilt aber gerade für die schiitischen Milizen in Syrien und dem Irak, für Hisbollah, die Huthis im Jemen wie für die Hamas und den Islamischen Dschihad in Palästina. Alle folgten demnach den Weisungen des Iran. Hier drohe ein „Multi-Arena-Conflict“. Bestätigt wurde diese Befürchtung durch parallelen Raketenbeschuss aus dem Gaza und dem Libanon vor einigen Wochen. Aus dem Libanon geschah dies zum ersten Mal seit 2006. Diese Bedrohungsperzeption teilen weite Teile der Regierung wie die großen Oppositionsparteien.
Andere Gesprächspartner – auch aus dem Sicherheitsapparat – teilten diese Bedrohungsperzeption so nicht. Die Proxies hätten ihre eigenen Interessen. So sei weder die Hisbollah noch die Hamas an einem Krieg mit Israel interessiert, weil sie ihn verlieren und damit ihre Machtstellung in ihren Gesellschaften gefährden würden. Dies zeige sich aktuell in dem mäßigenden Verhalten der Hamas in Reaktion auf die Tötung der drei Führer des Islamischen Dschihad im Gaza. Auch die Verständigung zwischen Iran und Saudi-Arabien erhöhe den Druck auf die Huthis zu einer friedlichen Beilegung des Jemenkrieges zu kommen.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat das Nahost-Quartett aus den USA, der EU, der UN und Russland zerfallen lassen. Der Versuch zu einer neuen Initiative für eine Zwei-Staaten-Lösung im Format Jordanien, Ägypten, Frankreich, Deutschland zu kommen, wurde mit freundlichem Interesse zur Kenntnis genommen, aber weder von Israel noch Palästina aktiv unterstützt.
Die Sicherheitszusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland ist in eine neue Phase getreten, auch das spricht für gegenseitiges Vertrauen und enge Beziehungen. Israel bezieht nicht nur U-Boote aus Deutschland, sondern wird potenziell mit Arrow 3 ein Luftverteidigungssystem liefern. Deutsche Piloten werden in Israel für den Einsatz mit (Kampf-)Drohnen ausgebildet.
Gesprächspartner*innen
Israel
- Ram Ben Barak, Mitglied der Knesset (Yesh Atid)
- Bashir Bashir, Van Leer Jerusalem Institute
- Shlomo Brom, Institute for National Security Studies
- Ido Dembin, Molad – The Center for the Renewal of Israeli Democracy
- Shira Ben-Sasson Furstenberg, Associate Director beim New Israel Fund (NIF)
- Debbie Gild-Hayo, Director of public advocacy bei der Association for Civil Rights in Israel (ACRI)
- Ori Givati, Advocacy Director bei Breaking the Silence (israelische NGO)
- Aeyal Gross, Professor für Verfassungsrecht an der Tel Aviv University, Rechtswissenschaftliche Fakultät
- Talya Lador, Abteilungsleiterin Europa im isr. Außenministerium
- Micky Levy, Mitglied und ehem. Präsident der Knesset (Jesch Atid)
- Gil Murciano, Mitvim – The Israeli Institute for Regional Foreign Policies
- Israel Piekarsh, Anachnu Movement
- Mossi Raz, ehemaliges Mitglied der Knesset (Meretz)
- Rami Saleh, Jerusalem Center for Human Rights
- Ori Segal, Institute for National Security Studies
- Rabbi Aviad Shmila, Anachnu Movement
- Ahmad Tibi, Mitglied der Knesset (Hadash-Ta’al)
- Yoshua Zarka, Referatsleiter Deutschland und stellv. Generaldirektor im isr. Außenministerium
Palästina
- Issa Amro, Gründer von Youth Against Settlements (YAS) (gewaltfreie palästinensische Aktivismusbewegung)
- Raja Khalidi, Palestine Economic Policy Research Institute
- Dalia Qumsieh, Balasan Human Rights Initiative
- Ines Abdel Razeq, Al- Shabaka, Palestinian Institute for Public Diplomacy
- Mohammad Shtayyeh, Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete
Deutsche Vertretungen
- Steffen Seibert, Deutscher Botschafter in Israel
- Anne-Sophie Beckedorf, stellv. Leiterin der ständigen Vertretung Ramallah
- Jenny Hestermann, Büro Tel Aviv der Heinrich-Böll-Stiftung
- Dorthe Siegmund, Büro Ramallah der Heinrich-Böll-Stiftung
- Riham Halaseh, Büro Ramallah der Heinrich-Böll-Stiftung
Weitere
- Itay Epshtain, Rechtsexperte beim Norwegian Refugee Council
- Ivan Karakashian, Norwegian Refugee Council
- Thomas White, Direktor des UNRWA Affairs in Gaza
© Photo by Flashpacker Travelguide, flickr.com
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