Persönliche Erklärung zur Abstimmung beim TOP „Griechenlandhilfen“ bei der Sondersitzung des Deutschen Bundestags am 17. Juli 2015:
Die Bundesregierung braucht ein Mandat des Bundestages, um im ESM-Gouverneursrat eine Vereinbarung mit Griechenland über weitere Kredite zu treffen. Ohne ein solches Mandat könnte der Bundesfinanzminister gemäß dem ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) und entsprechender Urteile des Bundesverfassungsgerichts diese Verhandlungen nicht führen.
Wer keinen Staatsbankrott Griechenlands will – mit all seinen sozialen Folgen für die Bevölkerung Griechenlands und Milliardenkosten für die Gläubiger – muss ein solches Mandat erteilen. Deshalb darf man nicht gegen Verhandlungen stimmen.
Es liegen nun zwei Anträge vor – der der Bundesregierung und der von Bündnis 90/Die Grünen.
- Beide wollen die Bundesregierung zu solchen Verhandlungen ermächtigen.
- Beide Anträge stimmen der sofortigen Gewährung einer Brückenfinanzierung für Griechenland in Höhe von 532 Mio. Euro (Deutschlands Beitrag) bis zum Abschluss der Verhandlungen zu.
Damit enden aber die Gemeinsamkeiten bereits.
Während der Antrag der Bundesregierung ein Mandat mit Freifahrtschein für die bisherige Verhandlungsstrategie gewährt, legt das grüne Mandat konkrete Maßnahmen vor, in deren Rahmen die Bundesregierung zu verhandeln hat, um Griechenland wirklich aus der Krise zu bringen.
Unser Antrag fordert:
- gerechte und sinnvolle Strukturreformen
- Zukunftsinvestitionen im Sinne eines Green New Deal
- eine sozial und ökologisch gerechte Haushaltskonsolidierung mit einer Stärkung der Einnahmeseite durch ein gerechtes Steuersystem
- eine klare Absage an einen Grexit – ein Ausscheiden aus der Eurozone darf keine Option mehr sein
- die Verbesserung der griechischen Schuldentragfähigkeit – d.h. mindestens eine verbindliche Vereinbarung über die erforderliche Verlängerung der Stundungs- und Rückzahlungszeiträume für bestehende und neue Kredite.
- dass der Primärüberschuss im griechischen Haushalt als dynamische Dividende einer erfolgreichen Reformpolitik während der Programmlaufzeit zur Stabilisierung der Wirtschaft und für die Schaffung stabiler Rahmenbedingungen für nachhaltige Investitionen genutzt werden kann
- eine Fortführung der ELA-Notkredite zu ermöglichen und die schnelle Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (BRRD) durch Griechenland, damit abgeflossenes Kapital nach Griechenland zurückkehrt
Wir Grüne haben diesen Antrag eingebracht, weil wir nicht mehr bereit sind, dieser Bundesregierung ein unbeschränktes Verhandlungsmandat zu erteilen.
Am letzten Wochenende hat Europa massiven Schaden genommen. Ein Europa, das Frieden und Sicherheit gebracht hat, das Grenzen abgebaut hat und ein Europa, das vielen Menschen Wohlstand gebracht hat. An diesem Europa arbeiten wir seit vielen Jahren in der festen Überzeugung, dass es nur eine Richtung geben kann – eine immer tiefer und fester werdende Europäische Union!
Dieses Ziel war Konsens aller im Bundestag vertretenen Parteien – und ist Grundlage der Verträge von Rom!
Dieser Konsens aber wurde von dieser Bundesregierung unter Verantwortung der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres Vizekanzlers Sigmar Gabriel aufgekündigt. Die Bundesregierung hat zum ersten Mal – und vorbei am Bundestag – den Plan verfolgt, die Europäische Union zu desintegrieren, kleiner zu machen, zu schwächen.
Das ist ein Tiefpunkt deutscher Europapolitik! Die Große Koalition hat den überparteilichen Konsens eines europäischen Deutschlands verlassen. Sie hat auf ein deutsches Europa hin verhandelt.
Es ist Francois Hollande, Mario Renzi, Werner Faymann aber auch Jean-Claude Juncker zu verdanken, dass das Erbe Helmut Kohls gegen eine deutsche Bundesregierung mit Müh und Not verteidigt werden konnte.
Jüngste Äußerungen des Bundesfinanzministers belegen, dass die Bundesregierung den Plan einen Grexit herbei zu verhandeln, immer noch nicht aufgegeben haben. Genau dafür wurde er nun von der Bundeskanzlerin gelobt.
Deshalb kann man – gerade wenn man für ein Verhandlungsmandat ist – dieser Regierung keinen Freifahrtschein geben.
Heute stehen zwei Verhandlungsmandate zur Abstimmung. Das grüne Mandat will die Krise um Griechenland in der Eurozone – durch eine Umschuldung und einen Green New Deal – lösen. Das Mandat der Bundesregierung will weiterhin die Möglichkeit nicht ausschließen, Griechenland aus dem Euro zu mobben.
Deshalb kann ich nur dem grünen Antrag zustimmen.
Verwandte Artikel
Alles muss anders bleiben – Sicherheit in der Veränderung
Liebe Steffi, Vielen Dank. Du bist nach mir die zweite Grüne, die das Bundesumweltministerium leitet. Der Artenschutz, der Naturschutz haben es heute schwerer als zu meiner Zeit. Wenn rechtspopulistische Bauern auf ihren 100.000 Euro teuren Treckern glauben machen können, ihre wirtschaftliche Zukunft hänge am Umpflügen von Blühstreifen – dann stimmt etwas nicht in diesem Land….
Weiterlesen »
EU-CELAC-Gipfel: Zusammenarbeit weiter ausbauen
Vor dem Hintergrund der multiplen Krisen der letzten Jahre und des andauernden russischen Angriffskriegs in der Ukraine muss es auf dem EU-CELAC-Gipfel darum gehen, gemeinsame Interessen von EU und CELAC zu betonen und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe weiter zu stärken.
Weiterlesen »
Reise nach Vilnius: Litauen und die Verantwortung Europas
Vom 03. bis 04. Februar 2022 nahm Jürgen Trittin an der Reise der außenpolitischen Sprecher des Bundestages nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens, teil. Themen der Gespräche waren Chinas Sanktionen gegen Litauen, der Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine und die Situation in Belarus.
Weiterlesen »
Kommentar verfassen