Ein Tag zum Feiern für die Energiewende – Festrede zur Eröffnung des Offshore-Windparks Butendiek
Moin,
lieber Herr Berge Olsen, Herr Blanke, Herr Dedieu
lieber Robert, lieber Senator Günthner aus meiner Geburtsstadt Bremen,
meine sehr verehrten Damen und Herren:
Ich freu mich, heute hier zur Einweihung des Offshore Windparks Butendiek die Festrede halten zu dürfen.
Revolution
Meine Oma pflegte immer zu sagen:
Bescheidenheit ist eine Zier – und weiter kommt man auch mit ihr.
Manchmal halten wir uns daran.
Als die Bürgerbewegung Ostdeutschlands die DDR implodieren ließ, war das eine Revolution. Wir aber haben uns angewöhnt diese friedliche Revolution die Wende zu nennen.
Als wir Anfang dieses Jahrhunderts aus der Atomenergie aus und in die Erneuerbaren einstiegen, da nannten wir auch das eine Wende. Die Energiewende.
So hat sie auch den Weg in andere Sprachen gefunden – wie Kindergarten und Sauerkraut.
Aber wenn wir uns ehrlich machen, dann ist die deutsche Energiewende eine Revolution.
Sie ist der erste große Schritt zur Dekarbonisierung eines der größten Industrieländer.
Erfolgsgeschichte
Meine Oma pflegte auch zu sagen:
Dummheit und Stolz wachsen auf dem gleichen Holz.
Hier im Raum sitzen viele Revolutionäre. Menschen, die sich in der Energiewende engagiert haben – mit Arbeit, mit Geld mit Zeit.
Ihnen allen möchte ich – trotz meiner Oma – sagen
Sie haben Grund stolz zu sein. Sie schreiben eine Erfolgsgeschichte.
Die deutsche Energiewende ist eine Erfolgsgeschichte. Eine Erfolgsgeschichte nicht nur für Deutschland – sondern für die Welt.
Sie war erfolgreicher, als selbst ihre Protagonisten gedacht haben. Mich eingeschlossen.
Als ich als verantwortlicher Minister das neue Energieeinspeisegesetz im Jahr 2002 auf den Weg gebracht habe, stand im Gesetz, dass wir 2020 einen 20 % Anteil Erneuerbaren Strom haben wollen. Damals hatten wir 4 %. Für dieses Ziel wurde ich verlacht und verhöhnt, da der Anteil technisch nie über 8 % liegen könne.
Es kam viel früher viel mehr. Bereits im Jahre 2015 produzierten wir fast ein Drittel unseres Stroms erneuerbar. Auch so kann man sich irren.
- In Deutschland wurden in den letzten Jahren jährlich über 20 Milliarden € in neue Stromerzeugungsanlagen investiert. Das gibt es in keinem anderen Land Europas.
- In diesen Anlagen werden jährlich gut 15 Mrd. € umgesetzt, davon profitieren Landwirte, Bürgergenossenschaften und Fonds.
- Entstanden ist eine exportstarke Industrie, in der zeitweilig bis zu 000 Menschen arbeiteten, in Europa sind es 600.000.
- Die Erneuerbaren Energien sparten uns 2013 gut 150 Mio. t. Treibhausgase.
Vor allem wurden die Erneuerbaren Energien billig und damit wettbewerbsfähig.
Durch die stürmische Entwicklung und die damit verbundene technologische Lernkurve sank der Preis für Strom aus Windkraft um 80 %, für Fotovoltaikstrom sogar um 90 %.
Selbst die im Verhältnis zur Windkraft an Land noch teure Off-Shore-Technologie kostet nur noch ein Bruchteil des Windstroms von vor zehn Jahren – und weniger als die Hälfte des Stroms aus einem neuen Atomkraftwerk.
Bürger Markt
Auf dem deutschen Energiemarkt gab es lange keinen Markt. Er entstand erst durch das EEG.
Er wurde jahrzehntelang von einem Macht-Quadropol der vier großen Energieriesen dominiert: Vattenfall, E.on, RWE und EnBW.
Diese vier Energieriesen hatten im Jahr 2002 noch einen Marktanteil von 87%.
Ihre Marktmacht beruhte auf Atom- und Kohlekraftwerken, aus Strom- und Gasnetzen.
Heute beträgt der Marktanteil bei den Großkunden nur noch 34 Prozent, bei den KMUs und Haushalten knapp 40 Prozent. 2007 besaßen die großen vier noch mehrheitlich über 85 Prozent der konventionellen Stromerzeugungskapazitäten – im Jahr 2013 war ihr Anteil schon auf 68 Prozent geschrumpft.[1]
RWE, E-on, Vattenfall und EnBW haben ihre eigene Zukunft verspielt:
- Sie haben trotz ihrer Unterschrift unter den Atomkonsens, versucht Laufzeitverlängerungen herbei zu lobbyieren – und sind an der Anti-AKW-Bewegung und Fukushima
- Obwohl ich den Konzern zusammen mit Werner Müller bereits 2000 das Recht einräumte, Erneuerbaren Strom einzuspeisen und damit Geld zu verdienen, haben sie sich dem verweigert. Heute liegt der EEG Stromanteil bei Vattenfall bei 1,8, bei RWE unter 1 und selbst bei EnBW ohne die große Wasserkraft bei bloß 2 %.
Das Ergebnis: Die Aktienkurse von RWE und E.on haben sich halbiert, ihre Schulden vervielfacht. Sie haben Milliardenverluste. Es droht, dass sie nicht einmal den Rückbau ihrer Atomkraftwerke und die Endlagerung ihres Atommülls bezahlen zu können.
Also ziehen sie die Notbremse: Vattenfall steigt aus der Kohle aus, E.on lagert seine Atom- und Kohlesparte in einer bad bank ein – nur RWE bleibt im Kern fossil.
Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Wer die Energiepolitik von gestern betreibt, verliert die Märkte von Morgen.
Bei SPIEGEL Online war im März dieses Jahres anlässlich der RWE Bilanzpressekonferenz zu lesen „Lasst die großen Energieversorger sterben.“
Das EEG wurde zum Einfallstor des Mittelstandes in die Stromerzeugung. Es sorgte für mehr Markt, mehr Wettbewerb und weniger Oligopol.
Hier sitzen Visionäre für die Energiemärkte von Morgen.
Sie haben aus dem Monopol einen Markt der Bürger gemacht. Das ist die eigentliche Revolution.
Natürlich geht eine solche Entwicklung nicht ohne Zielkonflikte ab.
Warum ist Off-Shore-Windkraft noch nicht so wettbewerbsfähig wie der Strom aus On-Shore-Anlagen? Obwohl da draußen der Wind doch mehr und stetiger weht – so dass wir in den Mittellast-Bereich kommen?
Als wir vor zehn Jahren Stiftung Off-Shore Windenergie gründeten, waren wir noch optimistischer, dass wir den netzstabilisierenden Beitrag des Off-Shore Stroms früher und mehr einsammeln können.
Aber wir haben es uns – und damit Ihnen Butendiek, liebe Projektentwickler und Investoren – selbst schwer gemacht.
Wissend, dass fast die ganze Küste der Nordsee und weite Teile der Ostseeküste Nationalparkgebiet waren, wurden die Vorranggebiete weit draußen ausgewiesen.
Off Shore im knietiefen Wasser kann jeder. Wir aber strebten in die AWZ.
Umso wichtiger war es mir, dass neben großen Investoren auch Bürger sich an solchen Parks beteiligen sollten.
Leider – und das muss man bei einem solchen Festvortrag auch sagen – ist das am Ende hier nicht gelungen. Die Herausforderungen die mit der Projektentwicklung verbunden waren, wurden von wpd übernommen.
Auch der Bau von Windenergieanlagen ist ein Eingriff in die Natur. Ihr klimapolitischer Nutzen ist gegen den Schaden des Eingriffs sorgsam abzuwägen.
Manche wie Adlergrund wurden deshalb nicht genehmigt. Andere müssen wie Butendiek in der Bauphase zusätzliche Maßnahmen etwa beim Schallschutz ergreifen – die künftig auch anderswo gelten werden.
Manche Eingriffe aber mindern auch andere Eingriffe. Viele Windparks mindern zum Beispiel den Eingriff der Fischerei in der Nordsee.
Und soweit ich das sehe, haben sich die Schweinswale fühlen sich die Schweinswale hier in der Gegend auch wieder bzw. weiter wohl.
Wir haben uns damals die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber wenn ich heut drauf schaue, dann halte ich sie für richtig.
Ein 300 MW-Kraftwerk, welches ohne Treibhausgase, ohne Atommüll Strom liefert, das ist schon Grund zur Freude.
Und ich würde mich freuen bei allem Streit, den es bis hierher gab, dass sich unsere Freunde von den Umweltverbänden mit diesem Projekt dann auch irgendwann wieder anfreunden können.
Denn Butendiek setzt die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren fort. Nicht nur hier.
Global
Die deutsche Energiewende ist schon lange keine deutsche mehr.
Die deutsche Energiewende hat die Erneuerbaren global wettbewerbsfähig gemacht.
Wenn das nicht auch Industriestaaten zugutekäme, könnten wir unsere EEG-Umlage mit gutem Grund auf die ODA-Quote, die Entwicklungshilfequote anrechnen lassen.
2014 gewannen die Erneuerbaren zum ersten Mal das Rennen gegen die fossilen Energien weltweit.
Mit 143 Gigawatt wurden erstmalig mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert.
Kohle, Öl und Gas kamen bloß auf 141 GW. [2]
Und der Trend hält an. Wind, Sonne und Wasser werden immer wettbewerbsfähiger. Schätzungen zur Folge sollen die Erneuerbaren in diesem Jahr um 37 % wachsen. [3]
Nur nicht in Deutschland?
Gerne spricht Sigmar Gabriel von der Gefahr eines carbon leakage, also dem angeblichen Exodus kohlenstoff- bzw. energieintensiver Industrien aus Europa. In Wahrheit muss man sich in Europa Gedanken machen, in Schlüsseltechnologien nicht den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren.
Es geht längst um ein Low Carbon Leakage.
Low Carbon Industries sind ein weltweiter Schüsselsektor.
- Für die Bereiche Fotovoltaik, Wind, Biokraftstoffe, innovative Fahrzeugantriebe, Smart Grids und Speichertechnologien werden jeweils 100 Mrd. Euro Wachstumspotential bis 2020 geschätzt.
- 268 Milliarden US-Dollar wurden weltweit im Jahr 2013 in Erneuerbare Energien investiert!
- 2014 waren es schon 310 Milliarden – knapp die Hälfte davon, 150 Milliarden, in Solarkraft.[4]
- China hat 2014 30 Milliarden mehr investiert in Erneuerbare Energien als alle europäischen Länder gemeinsam – fast so viel wie Europa und die USA gemeinsam.
Aber in Deutschland gehen die Investitionen seit 2010 kontinuierlich zurück.[5] First Solar, von Merkel aus Brandenburg vertrieben, baut heute mit Apple in Cuppertino den größten Solarpark der Welt.
Weltweit boomt die Solarindustrie, nur in Deutschland wird sie abgewürgt, per Freiflächenverbot, per Sonnensteuer, per Ausschreibungspflicht.
Stellen Sie sich vor, in der Autoindustrie wären 40 000 Arbeitsplätze verloren gegangen – was da in Deutschland los wäre.
Nun, genau diese Zahl an Arbeitsplätzen – 40 000 – hat der einstigen Photovoltaik-Spitzenreiter Deutschland verloren.
Warum sage ich dies bei der Einweihung eines Windparks?
Weil wir vor einer riesigen Herausforderung stehen. Wir müssen, die Überkapazitäten auf dem deutschen Strommarkt abbauen. Und nach dem Ende von Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel heißt das, wir müssen auch raus aus der Kohle.
Aber wir müssen auch für Netzsicherheit sorgen. Der große Zuwachs von Windkraftstrom in Schleswig-Holstein muss nicht nur trotz Crazy Horst Seehofer nach Bayern kommen – er bedarf auch der Harmonisierung.
Und hier hilft es nichts den Ausbau zu bremsen – hier kann Fotovoltaik viel beitragen. Deshalb muss es uns gerade am Tag der Einweihung von Butendiek besorgen, wenn erstmals die Ausbauziele für Sonnenenergie nicht erreicht wurden.
Erfolgsgeschichte fortschreiben
Es muss anders gehen! Schreiben wir die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren fort. Dafür ist heute ein guter Tag.
- Erneuerbare begrenzen die Klimakrise.
- Erneuerbare, Energieeffizienz und Energieeinsparung schaffen Jobs und Wertschöpfung.
- Klimaschutz stärkt die Energiesicherheit.
- Klimaschutz ist aktive Friedenspolitik.
Damit unsere Kinder und Enkel auf diesem Planeten eine gute Zukunft haben.
[1] Die Zukunft der großen Energieversorger, Greenpeace-Studie: http://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/zukunft-energieversorgung-studie-20150309.pdf
[2] http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-04-14/fossil-fuels-just-lost-the-race-against-renewables
[3] http://www.bloomberg.com/news/articles/2014-04-08/renewable-energy-installations-to-rise-37-by-2015-bnef-says
[4] http://www.unendlich-viel-energie.de/themen/wirtschaft/mehr-leistung-und-mehr-investitionen
[5] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/171896/umfrage/investitionen-in-anlagen-zur-nutzung-von-strom-aus-erneuerbaren-energien/
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