Notizen aus Berlin (07.-11.09.15)

Unser Land zeigt sich im Umgang mit Menschen auf der Flucht von zwei Seiten. Von einer hässlichen, wenn Hetze gegen Flüchtlinge von konservativen Politikern befeuert wird und rechte Terroristen Flüchtlingsheime anzünden. Und von einer empathischen, wenn Hunderte Bürgerinnen und Bürger Flüchtlinge willkommen heißen und durch ihr ehrenamtliches Engagement das Versagen der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik auffangen. Angela Merkel und ihre Regierung müssen sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen. Die Kanzlerin und die Koalition haben sich dafür entschieden, das „Wording“ zu ändern – damit sie die alte Politik fortsetzen können.

Historisch niedrige Zinsen, niedrige Arbeitslosigkeit und gute Steuereinnahmen haben der Bundesregierung gehörig Geld in die Kassen gespült. Trotzdem sinken Zukunftsinvestitionen fehlt es vor allem den Kommunen und Ländern an Geld für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Wir Grünen im Bundestag haben beantragt, dass der erwartete Haushaltsüberschuss von fünf Milliarden Euro für Flüchtlings-Soforthilfe genutzt wird.

Die große Koalition hat sich in dieser Woche auf eigene Vorschläge in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Dazu gehört auch eine kleine Öffnung für legale Zuwanderung vom Balkan, die aber in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Migration steht. In wesentlichen Punkten haben SPD und CDU die CSU-Parole „Wer betrügt fliegt“ in ein Gesetzespaket übersetzt. Mit der Einführung von Sachleistungen für Balkanflüchtlinge, längerer Internierung in Erstaufnahmeeinrichtungen und neuen angeblich sicheren Herkunftsstaaten liegt die Betonung auf der Abschreckung von Flüchtlingen. Die zugesagte Gesundheitskarte gibt es nicht. Das ist das Gegenteil von dem, für das sich die Menschen, die Flüchtlingen helfen einsetzen. Damit die grün-regierten Länder im Bundesrat zustimmen, werden diese Asylrechtsverschärfungen mit einer dringend notwendigen Finanzierungshilfe der Anstrengungen vor Ort durch den Bund verbunden. Aber: das Geld wird nicht reichen und auch die Versprechungen nach mehr Personal für die Flüchtlingsbehörde kommen viel zu spät. Mal wieder setzt Bund auf die Finanznot der Länder um seine Politik durchzusetzen.

Gleichzeitig geht das große Sterben im Mittelmeer weiter. Die Bundesregierung will sich nun am Krieg gegen die Schlepper vor der libyschen Küste und womöglich an Land beteiligen. Das ist im besten Fall wirkungslos, im wahrscheinlicheren Fall treffen die Kollateralschäden unschuldige Flüchtlinge. Ein wirklicher Schlag gegen Schlepper wäre es, wenn für die Menschen in den Flüchtlingslagern endlich ein legaler Zugang nach Europa geschaffen würde.

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